2022 war das Jahr, in dem Streaming-Dienste florierten - und starben

Logos von Streaming-Diensten auf dem Handy-Bildschirm
(Bildnachweis: Shutterstock / Top_CNX)

Jahresrückblicke für Streaming-Dienste sind normalerweise ziemlich langweilig. "Dienst-X hat dies veröffentlicht, Dienst-Y hat das veröffentlicht", und so weiter - in Wahrheit hat sich die Landschaft der On-Demand-Unterhaltung seit dem Start von Disney Plus im Jahr 2019 nicht wirklich verändert. 

Das Jahr 2022 war jedoch ein Wendepunkt für Streaming-Dienste und ihre Muttergesellschaften - im Guten, im Schlechten und im Hässlichen. Netflix, Prime Video und selbst jüngere Dienste wie Paramount Plus waren kulturell noch nie so relevant wie heute. Aber eine Reihe unerwarteter Marktbewegungen und mutiger Geschäftsentscheidungen haben dazu geführt, dass diese Plattformen im Jahr 2023 mit Identitätskrisen zu kämpfen haben.

Beginnen wir mit der Frage, wie die Anbieter erfolgreich waren. Im Großen und Ganzen konnte jeder große Dienst im Jahr 2022 mindestens einen Erfolg verbuchen, der für Schlagzeilen sorgte. Der größte Erfolg gelang Apple TV Plus, das als erster Streaming-Anbieter überhaupt einen Film (CODA) produzierte, der mit dem Preis für den besten Film ausgezeichnet wurde (sehr zum Leidwesen von Netflix, dessen hauseigene Filme diese Auszeichnung bereits sieben Mal verloren haben). 

Außerdem veröffentlichte Prime Video die atemberaubend teure "Herr der Ringe"-Spin-off-Serie "Die Ringe der Macht", holte mit der dritten Staffel von "The Boys" noch mehr Gold und profitierte endlich von einer dringend benötigten Neugestaltung der Benutzeroberfläche (UI). Auf WOW wurden die rekordverdächtigen Euphoria Staffel 2 und House of the Dragon veröffentlicht, während die zweiten Staffeln von Industry und The White Lotus das Talent des Mutterkonzerns HBO unter Beweis stellten, Prestige-TV aus dem Nichts zu produzieren.

Max sitzt vor Billys Grab in Stranger Things Staffel 4

Stranger Things Staffel 4 war die größte TV-Veröffentlichung des Jahres (Image credit: Netflxi)

Disney Plus brachte mehr Marvel-Filme und Star Wars-Serien auf den Markt, als du dir vorstellen kannst, und gewann dabei Millionen neuer Abonnenten. Und Netflix, das sich von seinem dramatischen Abonnentenschwund Anfang 2022 erholte, sorgte mit der letzten Staffel von Stranger Things für den größten Popkultur-Moment des Jahres (Kate Bush zählt immer noch ihre Pennys). 

Aber Netflix' markterschütternde Abonnentenverluste - zwischen Januar und Juli verließen fast 1,3 Millionen Menschen den Dienst - erfordern mehr als nur eine kurze Erwähnung. Im April 2022 stürzte der Aktienkurs des Streaming-Anbieters zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt ab und jagte den Anlegern des Streamingdienstes, die sich vor dem Abschwung kaum Gedanken über die Anfälligkeit der On-Demand-Unterhaltungsbranche gemacht hatten, einen Schauer über den Rücken. 

Sicher, dank des Erfolgs von Stranger Things Staffel 4 konnte Netflix im dritten Quartal fast alle verlorenen Abonnenten zurückgewinnen, aber die erste Jahreshälfte 2022 war so schlecht, dass die Netflix-Bosse beschlossen, ihre Position in Bezug auf das größte TV-Problem aller Menschen zu ändern: Werbung.

Netflix führte im November 2022 ein billigeres, werbefinanziertes Abonnement ein, ein Jahr nachdem HBO in den USA dasselbe für seinen Dienst HBO Max getan hatte und nur einen Monat bevor Disney Plus mit seinem eigenen, günstigeren Angebot nachzog (das am 8. Dezember startete). 

Netlix Firmengebäude mit rotem Logo an der Außenseite

Sowohl Netflix als auch Disney Plus haben 2022 werbefinanzierte Abonnements eingeführt (Image credit: Shutterstock / Elliott Cowand Jr)

Alle drei Unternehmen haben erklärt, dass sie mit der Einführung von Werbeeinblendungen ihren Kunden mehr wirtschaftliche Freiheit bieten und ihre Einnahmen steigern wollen. Letzteres scheint jedoch viel überzeugender zu sein, wenn man bedenkt, dass Netflix, Disney Plus und Warner Bros. Discovery (WBD) im Jahr 2022 haufenweise Geld verloren haben.

Das heißt, dass die größten Streaming-Dienste der Welt verzweifelt versuchen, eine wirtschaftliche Talfahrt im Jahr 2023 zu vermeiden, und ihre Chefs sind offensichtlich bereit, langjährige Geschäftsmodelle zu zerschlagen, um sich über Wasser zu halten (WBD bereitet sich zum Beispiel darauf vor, HBO Max und Discovery Plus Anfang nächsten Jahres zu einem Dienst zusammenzulegen). 

Um es klar zu sagen: Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Netflix und Co. günstigere Möglichkeiten für den Konsum ihrer Inhalte anbieten. Aber die Einführung von Werbung in kostenpflichtigen Unterhaltungspaketen scheint das Gegenteil von dem zu sein, warum Streaming-Dienste überhaupt geschaffen wurden. 

Außerdem ist es einfach zu sagen, dass niemand gezwungen wird, zu diesen werbefinanzierten Angeboten zu wechseln, aber ihre Existenz wird die Preise für normale Netflix-, Disney Plus- und HBO Max-Abonnements letztendlich so hoch treiben, dass viele Verbraucher keine andere Wahl haben werden, als auf die niedrigeren Angebote der Streaming-Anbieter umzusteigen. 

Ein Mann hält eine Fernbedienung in Richtung eines Bildschirms, der das Disney Plus-Logo zeigt

Die Preise von Disney Plus sind nach der Einführung der werbefinanzierten Plattform gestiegen (Image credit: Shutterstock / Ivan Marc)

Vor kurzem gab es zum Beispiel bei Disney Plus in den USA eine Reihe von Preiserhöhungen aufgrund der Einführung des neuen werbefinanzierten Angebots der Plattform. Und während die Preise für bestehende Netflix-Abonnements derzeit noch dieselben sind wie vor der Einführung von Netflix Basic with Ads, wetten wir, dass diese Preise im Laufe des Jahres 2023 schrittweise steigen werden. 

Der Punkt ist: Selbst wenn du kein Abo bei einem Streamingdienst abschließen willst, der dir alle fünf Minuten Werbung ins Gesicht drückt, könntest du schon bald dazu gezwungen werden. Einem aktuellen Bericht des WSJ zufolge machten werbefinanzierte Abonnements bei Netflix im November 2022 nur 9 % der Neuanmeldungen aus - Netflix wird diese Zahl im Jahr 2023 sicherlich verbessern wollen und wird wahrscheinlich versuchen, die Attraktivität von Basic with Ads zu steigern, indem es die Preise für die anderen Abonnementstufen erhöht. 

Selbst wenn die Verbraucher in den kommenden Monaten nicht massenhaft zu den werbefinanzierten Abos strömen, ist das Ideal, das Streaming-Dienste einst verkörperten, beschädigt: Das Versprechen einer werbefreien, zentralen Anlaufstelle für all deine Unterhaltungsbedürfnisse auf Abruf ist dahin. Im Jahr 2023 wird der Kampf um deine Aufmerksamkeit zwischen Netflix, Prime Video, Disney Plus, WOW und den anderen noch härter werden und es wird eine große Übernahme nötig sein - eine, die mehrere große Streaming-Anbieter unter einem Dach vereint -, um den Abonnenten eine annähernd so große Auswahl zu bieten, wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben. 

Das Jahr 2022 war zweifelsohne ein Meilenstein für Streamingdienste - aber die letzten 12 Monate haben auch das Ende von allem eingeläutet, wofür diese Plattformen einst standen. 

Christopher Barnes
Redakteur

Ich bin Chris und beschäftige mich für TechRadar vor allem mit den Bereichen Filme/ Serien, TV, Grafikkarten und Gaming - im Speziellen alles rund um Xbox. Ursprünglich habe ich in Stuttgart Film- und Fernsehtechnik sowie Drehbuch-Schreiben studiert. Da ich allerdings nicht nur schon immer großer Filmliebhaber, sondern auch leidenschaftlicher Gamer war und es zudem liebe zu schreiben, habe ich mich für den Journalismus in diesem Bereich entschieden. 


Erreichbar bin ich unter der Mail-Adresse cbarnes[at]purpleclouds.de

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