Warum es Microsoft egal ist, ob du eine Xbox Series X kaufst oder nicht
Meinung: Xbox interessiert sich nicht mehr für Konsolen-Verkaufszahlen
Selbst wenn es so aus sieht, als wär ich eine der wenigen Personen, der Microsofts Xbox Games Showcase tatsächlich gefallen hat, kann ich nur den Kopf schütteln, wenn ich immer und immer wieder denselben Kommentar von frustrierten Gamern lese.
Möglicherweise hast du das schon selbst gesehen, aber es lautet ungefähr so: „Die Xbox Series X hat keine Exclusives, deshalb hole ich mir Halo Infinite für PC oder Xbox One.“
Auf den ersten Blick klingt das wie eine böse Beleidigung – und in einer idealen Welt, da bin ich mir sicher, würde Microsoft gerne lesen, dass Menschen die Xbox Series X zum Launch kaufen wollen. Wenn wir uns die Situation aber näher ansehen, erkennen wir, dass sich die Strategie, zu der das Unternehmen langsam gewechselt hat, auszahlen sollte.
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Der Kerngedanke ist: Microsoft will nicht mehr Millionen von Konsolen verkaufen. Würde es gerne? Sicherlich. Muss es? Absolut nicht. Microsofts Ansatz ist glasklar: Es will so viele Spieler erreichen wie möglich, unabhängig davon, auf welcher Plattform sie spielen – und Xbox Game Pass ist der rote Faden, der alles verbindet.
Xbox Play Anywhere
Das Experiment, vom traditionellen Konsolenupgrade-Zyklus – Spieler zu zwingen, neue Hardware zu kaufen, um bestimmte Spiele spielen zu können (jede einzelne Konsolengeneration) – begann mit Microsofts Xbox Play Anywhere-Programm, bei dem man die PC-Version von Xbox One-Spielen bekommen hat, wenn man sie digital gekauft hat, und umgekehrt.
Als Xbox Play Anywhere angekündigt wurde, haben Menschen an seinen Auswirkungen gezweifelt. „Warum sollte man die Xbox-Version spielen, wenn man sie auch auf PC spielen kann?“, grübelten sie – völlig nachvollziehbar.
Der Punkt ist, dass du die Xbox-Version nicht spielen musst. Du bekommst eine Kopie des Spiels für beide Plattformen und bekommst damit die Flexibilität, es auf beiden spielen zu können. Hauptsache, du kaufst trotzdem ein Xbox-Spiel, egal wo du es spielst.
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Nach Xbox Play Anywhere kam Xbox Game Pass, ein Abonnement, das im Endeffekt das Netflix für Spiele wurde. Richtig durchstarten konnte er aber erst, nachdem Microsoft angekündigt hatte, dass alle First-Party-Spiele vom Xbox Games Studio im Abonnement mit inbegriffen sein würden. Und wie wir sehen, hatte das – gleichermaßen für Microsoft und Verbraucher – einen enormen Mehrwert.
Ein gewagter Schachzug
Als Microsoft beschlossen hat, seine First-Party-Titel, wie Gears 5, Sea of Thieves, Forza Horizon 4 und Halo: The Master Chief Collection auf PC verfügbar zu machen, war die Gaming-Welt perplex.
Die Zerschlagung des exklusiven Lineups der Xbox wurde als möglicher Untergang von Microsofts Spieleabteilung gehandelt und viele fragten sich, warum jemand eine Xbox One kaufen sollte, wenn jedes Spiel sowieso für PC erscheinen würde.
Das ist eine gute Frage, aber bei der Antwort muss ich mich wiederholen: Microsoft will einfach nur, dass so viele Menschen wie möglich seine Spiele spielen, egal auf welcher Plattform.
Microsofts Ansatz bei Xbox Series X-Spielen bekräftigt dieses Mantra. Alle First-Party-Spiele erscheinen in den ersten paar Jahren auch für Xbox One, einschließlich Microsofts erfolgreichstes Franchise, das eigenhändig Millionen von Konsolen verkaufte: Halo Infinite.
Bei Microsofts Xbox Games Showcase haben wir auch herausgefunden, dass jeder einzelne vorgestellte Titel auch im Xbox Game Pass verfügbar sein wird. Du magst zwar nicht super scharf darauf sein, Microsofts neue Konsole zu kaufen, aber niemand kündigt so schnell sein Abo.
Weil du all diese Spiele auf Xbox One oder PC spielen kannst, bedeutet das also wortwörtlich, dass es keinen Grund gibt, die Xbox Series X zu kaufen. Was denkt sich Microsoft also dabei?
Neuanfang
Wenn es nicht bereits offensichtlich war: Microsoft setzt nicht mehr auf hohe Verkaufszahlen, um Geld zu verdienen. Hardware fährt selten große Gewinne ein, egal ob Sony oder Microsoft, besonders in den Anfangsjahren, wenn die Produktionskosten noch hoch sind. Konsolen werden außerdem häufig mit Verlust verkauft und was das Defizit über Zeit ausgleicht und das System profitabel macht, sind Software und Services.
Wie geht es Microsoft also bei den Diensten? Tatsächlich unglaublich gut. Xbox Game Pass hat mittlerweile über 10 Mio. Abonnenten und im Gegensatz zu einzelnen Spiel- oder Hardwareverkäufen bringen diese Abonnenten jeden einzelnen Monat einen stetigen Geldfluss.
Diese Abonnenten sind auch nicht nur an Xbox-Hardware gebunden. Sie spielen auf Xbox-Konsolen und PCs und bald auch auf ihren Smartphones. Wenn Project xCloud im September in Xbox Game Pass integriert wird, könnte eine komplett neue Zielgruppe dem Xbox-Ökosystem beitreten. Wichtig ist, dass sie es auf vielen verschiedenen Wegen tun können.
Sony vs. Microsoft
Der Hauptunterschied zwischen den neuen Konsolen von Sony und Microsoft sind die Einstiegskosten. Sony will, dass du eine PlayStation 5 kaufst. Wenn nicht, kannst du Spider-Man Miles Morales oder Horizon Forbidden West nicht spielen. Wenn ein Exklusivtitel bei der Vorstellung nicht überzeugen kann, riskiert Sony, nicht eine, sondern zwei potentielle Einnahmequellen zu verlieren: eine PS5-Konsole und ein 60-Euro-Spiel.
[Anm. Eugen Wegmann: An dieser Stelle muss ich jedoch hinzufügen, dass Sony mit seiner bisher einzigen Spielvorstellung mehr Hype ausgelöst hat als Microsoft mit seinen zwei. Horizon alleine dürfte ein unschlagbares Verkaufsargument für die PS5 sein, auch wenn der Release 2021 meine persönliche Erwartung daran etwas dämpft. Und bei Ratchet and Clank lief bei mir persönlich auch das Wasser im Mund zusammen.]
Microsoft hingegen hat sein Netz viel weiter gespannt. Es kann sich erlauben, mit seinem Spiele-Lineup zu experimentieren, wie wir jüngst mit Titeln wie Grounded und Everwild gesehen haben. Sein Schwerpunkt liegt auch darauf, den Einstieg ins Xbox-Ökosystem so einfach zu machen wie möglich und seine Kunden nicht unbedingt zu zwingen, neue Hardware zu kaufen.
Vielleicht bist du neugierig auf Sea of Thieves aber kannst dir keine Xbox One S leisten? Abonniere den Xbox Game Pass und spiele es auf deinem Smartphone dank Project xCloud. Vielleicht bist du ein PC-Spieler, der Halo liebt, aber nicht mehr zu den Einschränkungen der Konsole zurückkehren will? Dann hol’ es dir im Windows 10 Store (oder, was mittlerweile auch geht, Steam). Was, wenn du bereits eine Xbox besitzt, aber das bestmögliche Erlebnis für alle künftigen Spiele willst? Dafür gibt es die Xbox Series X.
Egal, wie man es betrachtet – Microsofts Spielbibliothek und Dienste sind zugänglicher als die jedes anderen Konsolenherstellers. Verbraucher haben gezeigt, dass die Nachfrage nach Services, die auf verschiedenen Geräten funktionieren, da ist, und der Gedanke, einen teuren Kasten zu kaufen, nur um ein oder zwei Spiele zu spielen, wirkt überholt.
Egal, ob Microsofts Strategie für dich wildes Glücksspiel ist oder ein mutiger Schritt, eins ist sicher: Microsoft ist es egal, ob du eine Xbox Series X kaufst. Du sollst nur seine Spiele spielen und den Xbox Game Pass abonnieren.
Dieser Artikel wurde ursprünglich von Adam Vjestica auf Englisch verfasst und von Eugen Wegmann ins Deutsche übersetzt.
Eugen Wegmann ist Online-Redakteur für PurpleClouds Deutschland GmbH / TechRadar Region DACH und zuständig für Gaming und Computer-Hardware.
E-Mail: ewegmann[at]purpleclouds.de