TechRadar Fazit
Halo Infinite ist trotz seines schweren Erbes eine gelungene Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe und bringt trotzdem einige gute Neuerungen mit sich. Die Story mag wirr erzählt sein und die Open-World verschenkt eine Menge Potenzial. Aber in Sachen Gameplay kann es kein anderer Shooter mit Halo aufnehmen und 343 hat es endlich geschafft, das alte Bungie-Gefühl nicht nur erreichen, sondern sogar noch zu verbessern.
Pro
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Gunplay spielt sich wieder wie ein richtiges Halo
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Wahnsinnig immersiver Sound
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Greifhaken macht alles besser
Kontra
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Open-World fühlt sich listenartig an
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Story ist extrem wirr erzählt
Warum können Sie TechRadar vertrauen?
Gespielte Zeit: 16 Stunden
Plattform: PC
Jeder, der den Master Chief kennt, weiß, dass der Spartan kein Mann vieler Wort ist. Also verliere ich für diese Einleitung auch nicht viele Worte - zum einen, weil das Spiel bereits am 8. Dezember 2021 für Xbox Series X|S und PC erschien, und zum anderen, weil Halo Infinite hervorragend ist.
Es überzeugt dabei insbesondere in seiner Hauptdisziplin, dem Gunplay, was für viele eingeschworene Bungie-Jünger an Ketzerei grenzen dürfte. Auch ich spreche mich immer wieder für die konkurrenzlosen Shooter-Mechaniken der Destiny-Entwickler aus und trotzdem hat mich Infinite mehr als beeindruckt.
Allerdings will der mittlerweile sechste Teil der Hauptreihe nicht nur mit Geballer punkten, sondern kommt zudem mit einigen eigenen Ideen daher. Über allem hängt jedoch das schwere Erbe von Halo 5: Guardians wie ein Damoklesschwert, dessen konfuse Geschichte nun wieder in die richtige Bahn gelenkt werden will.
Ich brauche eine Waffe
Einer der größten Kritikpunkte an Halo 5 war, dass es von den Spielern ein umfassendes Wissen über jede Facette des komplizierten Halo-Universums verlangte. Oft hatte man das Gefühl, dass man jeden einzelnen Halo-Roman gelesen haben musste, um auch nur ansatzweise zu verstehen, was außerhalb der Haupthandlung des Spiels geschah, was an sich schon unglaublich zusammenhanglos und wenig überzeugend war.
Für Halo Infinite ist 343 Industries aber erfreulicherweise zu den Wurzeln zurückgekehrt und hat die Geschichte auf drei Kernelemente konzentriert: Master Chief, seine Beziehung zu seiner KI und der Kampf gegen eine gefährliche neue Bedrohung.
Letztere tritt in Form der sogenannten Verbannten auf den Plan, die zu Beginn des Spiels die Menschen angreifen. Ein hochrangiger Brute dieser furchtlosen Armee, Atriox, schafft es, den Chief zu besiegen und schleudert ihn wie eine Stoffpuppe ins All. Dieser muss daraufhin hilflos mit ansehen, wie Atriox' Truppen die UNSC-Streitkräfte stark dezimieren.
Nach sechs Monat gelingt es einem UNSC-Soldaten, der sich einem nur mit seiner Kennnummer vorstellt, aber der vermutlich spannendste Charakter des ganzen Spiels ist, den vermissten Helden zu bergen und wiederzubeleben. Sofort macht sich der Chief auf, um für das Überleben der Menschheit zu kämpfen und herauszufinden... ja was eigentlich? Denn ab diesem Zeitpunkt wird es extrem verwirrend. Selbst mir, als absolutem Halo-Fan, stand durch die wirre Erzählweise lange Zeit ein großes Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Und das liegt nicht nur an der Wortkargheit des Spartan, sondern auch an der neuen KI, die einfach nur "Waffe" genannt wird.
Halo-Veteranen dürften sich sofort zu ihr hingezogen fühlen. Von ihren witzigen Einwürfen bis hin zu ihren nachdenklichen Beobachtungen - es ist ein tolles Gefühl, wieder eine kleine Stimme in Chiefs Kopf zu haben. Die Art und Weise, wie sich die Beziehung der beiden im Laufe der Kampagne entwickelt, ist eine der größten Stärken der Geschichte und entscheidend für den Aufbau einer emotionalen Verbindung zwischen dem stoischen Chief und dem Spieler.
Obwohl die Ähnlichkeiten überdeutlich sind, ist Waffe nicht einfach eine Kopie von Cortana. Sie ist viel lockerer als ihr holografisches Gegenstück (vor allem angesichts Cortanas dramatischer Wendung in Halo 5). Außerdem hat sie die Angewohnheit, eine spielerische Seite des Master Chiefs zum Vorschein zu bringen, die schon lange überfällig war.
Waffe ist auch deutlich naiver als Cortana es je war. Genau wie du als Spieler vor dem Bildschirm versucht sie langsam zu verstehen, was passiert ist, seit die Verbannten das UNSC besiegt haben. Auch setz das Spiel nicht voraus, dass du alle Facetten des Halo-Universums kennst oder weißt, was in den vorherigen Spielen passiert ist. Trotzdem gibt es über zahlreiche Nebenmissionen immer wieder kleine Einblicke in die Hintergrundgeschichte geben und am Ende findet die Story auch einen größtenteils zufriedenstellenden Abschluss.
Echtes Halo-Gefühl kommt auf
Die Geschichte des Halo-Universums ist zweifelsohne umfassend und auch Infinite birgt einige interessante Wendungen. Die Kerndisziplin eines Halo - und der Hauptgrund, warum sich so viele Spieler vor 20 Jahren in das Originalspiel verliebt haben - ist aber schon immer das unvergleichliche Gunplay, das sich seit 343's Übernahme der Reihe durchaus verändert hatte.
Wie ich bereits vorweggenommen habe, hat es das Team aber bemerkenswert gut geschafft, das frühere Spielgefühl zurückzubringen. Die Kampagne beginnt serientypisch, indem du dich linear durch Wellen von Grunts, Brutes und weiteres ehemaliges Allianz-Gesindel ballerst. Es gibt jedoch einige Kniffe, die das Gameplay grundlegend weiterentwickeln.
Die erste Änderung scheint relativ unbedeutend, ist aber etwas, was einfach nicht langweilig wird. So kann der Chief die überall herumstehenden explosiven Kanister nun nicht mehr nur durch Schüsse oder eine Granate zum Detonieren bringen, sondern auch aufheben und auf Gegner werfen. Es gibt wenig, was sich so befriedigend anfühlt, als einem heranstürmenden Brute einen solchen Kanister ins Gesicht zu werfen oder eine Schar Grunts damit zu zerstreuen.
Die Hauptneuerung ist aber etwas, was genreübergreifend unbestritten jedes Spiel besser macht: Ein Greifhaken. Einen Greifhaken in ein Game zu packen ist, als würdest du dein Lieblingsessen - oder nahezu jedes andere Gericht - mit Käse überbacken. Käse macht alles besser, genauso wie Greifhaken alles besser machen.
Du kannst Waffen und Kanister zu dir ziehen, bisher unerreichbare Höhen und Gebäude erklimmen, in Deckung hechten oder dich an Feinde heranziehen, um sie Halo-üblich deine Waffe über die Alien-Rübe zu ziehen. All das lässt einen sich fragen, wie die Reihe jemals ohne Greifhaken ausgekommen ist. Und mit dem Halo-Ring Zeta bekommst du auch gleich den passenden Spielplatz dafür.
Wunderschöne Kulisse
Es macht eine Menge Spaß, Zeta mit dem Greifhaken zu erkunden, um versteckte Waffen, Audiologs und andere Dinge zu finden. Und auch die Fahrzeuge steuern sich wieder einmal toll, egal ob du mit dem Mongoose über die Pfade rast oder die Lüfte in einem Banshee unsicher machst. Um von A nach B zu kommen ist der neue Halo-Ring demnach eine wunderschöne Kulisse - mehr aber leider auch nicht.
Natürlich wird die Karte mit verschiedenen Missionstypen gut gefüllt: Du kannst etwa verstreute UNSC-Soldaten retten, hochrangige Verbannte erledigen, Außenposten erobern und noch einiges mehr. Das hat auch alles seine Bewandtnis. So folgen die dir Soldaten nach ihrer Rettung in den Kampf, hochrangige Verbannte geben dir Zugang zu stärkeren Waffen und Außenposten dienen als Ausrüstungsdepot. Für verdienten Ruhm, den du für die verschiedenen Aufgaben erhältst, kannst du dir hier Waffen, Soldaten und Fahrzeuge liefern lassen.
Zugleich decken befreite Außenposten auch Nebenmissionen in der Nähe auf und hiermit wäre ich beim Thema. So abwechslungsreich und belohnend die optionalen Aufgaben auch sind, so sind sie aber, wie in vielen AAA-Open-World-Spielen - wenn man nicht gerade von Elden Ring oder Zelda: Tears of the Kingdom spricht-, fast alle auf der Karte markiert. Statt mir also den optisch wirklich beeindruckenden Ring anzuschauen oder gar ein Gefühl für die Umgebung zu bekommen, markiere ich mir einfach das nächste Ziel auf der Karte und folge dem Wegpunkt. Auf dieselbe Weise verfahre ich listenartig mit allen Nebenaufgaben, bis die Karte frei von Symbolen ist.
Darüber hinaus gibt es lediglich Story-Schnipsel zu finden, die zwar interessant, aber lange nicht so belohnend sind. Hinzu kommt, dass der Ring hübsch anzusehen, aber mit seinen Bergen und Bäumen auf Dauer sehr eintönig ist. Dabei hat Halo 3 noch gezeigt, dass die Konstrukte durchaus über zahlreiche Biome verfügen. Lediglich die linearen Hauptmissionen führen dich in die Tiefen des Rings, wo es etwas mehr zu sehen gibt.
"Du bist tot, und ich nicht!"
Damit verkommt Zeta leider recht bald zur reinen Kulisse, was aber - und das ist ein großes Aber - gar nicht so schlimm ist. Denn so sehr es einerseits zum bloßen Abarbeiten kommen kann, macht es anderseits einfach eine Menge Spaß, die Verbannten vom Halo zu vertreiben.
Dafür sorgt natürlich das fantastische Gunplay, aber auch das erstklassige Sounddesign. Ich habe Infinite mit einem guten Headset gespielt und als ich das erste Mal ein Scharfschützengewehr abgefeuert habe, bin ich wirklich zusammengezuckt. Der Schuss schallerte ohrenbetäubend über den weitläufigen Halo-Ring bis in meine Gehörgänge und wieder zurück.
Das Spiel holt wirklich das Beste aus Dolby Atmos und Spatial Audio heraus, was sich aber nicht nur bei durch die Luft surrenden Projektilen oder den Schritten deiner Feinde zeigt. Besonders bemerkenswert und immersionssteigernd ist auch deren andauerndes Geplapper. Du hörst Brutes, Schakale, Grunts und Eliten, die sich unterhalten, streiten und feiern, wenn du im Kampf fällst. Gerade diese witzigen One-Liner sorgen dafür, dass deine zahlreichen Bildschirmtode zu seinem Schmunzeln statt zu Frust führen.
Es gibt aber noch etwas, das bereits vor Release damals für Schmunzeln - oder Frust, je nach dem - bei einigen Fans geführt hat. Die berüchtigten Brutes, die all die "Craig"-Memes hervorgebracht haben, waren damals wirklich kein Augenschmaus. Framedrops beim Nachladen sowie einige weitere visuelle Auffälligkeiten gehörten ebenfalls zum etwas holprigen Start des Spiels.
Von derlei Kinderkrankheiten habe ich bei meinem Durchgang aber so gut wie nichts mitbekommen und obwohl ich es auf einem starken PC gezockt habe, weiß ich, dass auch die Xbox-Version beispielsweise verschwindend kurze Ladezeiten hat. Die realistische Beleuchtung, die üppigen Texturen, die gekonnte HDR-Implementierung und die schillernden Partikeleffekte sind eine wahre Augenweide und zeigen, dass 343's Slipspace Engine ganz sicher kein Blindgänger ist.
Spartan sterben nicht
Halo Infinite hatte wahrlich ein schweres Erbe anzutreten. Neben dem schwachen Vorgänger war es vor allem die grundsätzliche Skepsis, die es 343 Industries nach der Übernahme der einstigen Bungie-Reihe äußerst schwer machte. Wo mit Halo 4 und 5 sich von Altem zu lösen versucht wurde, kehrt Infinite aber nun merkbar zu den Wurzeln der Reihe zurück, was sich überdeutlich in Master Chiefs neuer alter Rüstung versinnbildlicht.
Das tut dem Spiel extrem gut, wenngleich sich wieder einmal zeigt, dass sich die Entwickler sehr schwer mit dem Storytelling tun. Dennoch versäumen sie es nicht, viele eigene Ideen einzustreuen und neue Wege zu gehen, was in Puncto Open-World vielleicht weniger, beim Gunplay aber umso mehr funktioniert. Abgerundet wird das Ganze von einer wunderschönen Grafik und im wahrsten Sinne des Wortes ohrenbetäubenden Sounddesign.
Halo-Urgesteine, die mit den letzten Teilen weniger zufrieden waren, finden hier definitiv einen Grund, 343 noch eine Chance zu geben und auch Neulinge bekommen hier einen Shooter, an dessen Gunplay wenige andere Games heranreichen. Und da Infinite zudem als Life-Service-Titel angelegt ist und der Multiplayer stetig neue Inhalte erhält, ist der Spielspaß für eine lange Zeit garantiert.
Mit alldem hat das Spiel es geschafft, meine Liebe zu Halo, die auch ich für beinahe erloschen hielt, neu zu entfachen. Und hier spreche ich von einer Liebe, die bereits besteht, seit ich vor vielen Jahren meinem ersten Grunt mein Sturmgewehr über den Schädel gezogen habe.
Ich bin Chris und beschäftige mich für TechRadar vor allem mit den Bereichen Filme/ Serien, TV, Grafikkarten und Gaming - im Speziellen alles rund um Xbox. Ursprünglich habe ich in Stuttgart Film- und Fernsehtechnik sowie Drehbuch-Schreiben studiert. Da ich allerdings nicht nur schon immer großer Filmliebhaber, sondern auch leidenschaftlicher Gamer war und es zudem liebe zu schreiben, habe ich mich für den Journalismus in diesem Bereich entschieden.
Erreichbar bin ich unter der Mail-Adresse cbarnes[at]purpleclouds.de