Im Test: Pokémon Karmesin & Pokémon Purpur

Eine Open World im ewigen Kampf gegen die 30FPS

Pokémon Karmesin Purpur
(Image: © Nintendo / The Pokémon Company / GAME FREAK)

TechRadar Fazit

In den ersten Spielstunden, die wir bisher mit Pokémon Purpur verbringen durften, machte das neue Pokémon-Abenteuer einen wirklich durchwachsenen Eindruck. Zwar ist der Spielspaß beim Erkunden von Paldea und dem Bestreiten von Kämpfen durchaus vorhanden, wird aber durch die unterirdische Performance zu einem insgesamt eher frustrierenden Erlebnis.

Pro

  • +

    Tolle neue Pokémon

  • +

    Anständig geschriebene Charaktere

  • +

    Erkunden lohnt sich und macht Spaß

Kontra

  • -

    Miserable Performance

  • -

    Grafisch absolut unterirdisch

  • -

    Die freie Kamera wird in Kämpfen eher zum Nachteil

  • -

    TMs sind wieder One-Time-Use

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Informationen zum Test

Pokémon Karmesin & Purpur Starter

(Image credit: Nintendo / The Pokémon Company / GAME FREAK)

Spielzeit: ~18 Stunden
Edition: Purpur

Release: 18. November 2022
Plattform: Nintendo Switch
Preis: 59,99€

Welcher Pokémon-Fan kennt es nicht? Die neue Generation steht vor der Tür, man hat seine favorisierte Edition vorbestellt und freut sich am Release-Tag auf einen gemütlichen Abend. Man kann es kaum noch erwarten, die neue Region zu erkunden, die dort lebenden Pokémon zu fangen und ein kunterbuntes Abenteuer zu erleben. Das bin ich. Jedes Mal aufs Neue. Und das, obwohl ich mit dem Prozedere eigentlich vertraut sein sollte.

Anhand der 3-Sterne-Wertung dieses Testberichts kannst du dir vermutlich schon denken, dass Pokémon Karmesin & Purpur nach den ersten Spielstunden keinen wirklich positiven Ersteindruck bei uns hinterlassen haben. Der Pokémon-Fan in mir möchte diese neuen Editionen lieben und jedem weiterempfehlen. Der Journalist in mir möchte mich vermutlich ohrfeigen und mich fragen, warum ich nach knapp drei Jahren schon wieder den gleichen Fehler begehe. Selbst ich hätte in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht, dass mich ein Pokémon-Spiel mit so vielen Baustellen erwartet. Aber fangen wir von vorne an.

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Willkommen in Paldea

In Pokémon Karmesin und Purpur schlüpfst du in die Rolle eines neuen Schülers der Trauben-Akademie (oder Orangen-Akademie, wenn du Pokémon Karmesin spielst). Eine große Lehranstalt im Zentrum der Paldea-Region, mit einer Geschichte, die jede andere Ausbildungsstätte alt aussehen lässt. Leute aus allen Regionen reisen nach Paldea, um an der Akademie zu studieren.

Noch bevor du dich auf den Weg zur Schule machen kannst, stattet dir Direktor Clavel einen Besuch ab und hat gleich drei Pokémon im Gepäck: Felori, Krokel und Kwaks. Eines von den Kleinen darfst du dir aussuchen. Der aufmerksame Leser hat hier bereits erkannt, dass die Story für ein Mainline-Pokémon-Spiel eher untypisch ist. Man hat nicht die immer gleiche Aufgabe erhalten, acht ArenaleiterInnen zu besiegen, um somit gegen die Top 4 und schließlich den Champ antreten zu können. Klar, man weiß schon längst, dass es drei unterschiedliche Story-Stränge gibt, von denen einer den Weg des Champs darstellt, aber es ist eben nicht mehr deine Hauptaufgabe, sondern eine von dreien. Die Gewichtung ist anders. Und das ist gut!

Im Rahmen einer Projektarbeit beauftragt Direktor Clavel dich und alle deine Mitschüler mit der sogenannten Schatzjagd. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine riesengroße Erkundungstour, auf der du dein ganz persönliches Abenteuer erlebst. Wohin es dich verschlägt und welchen Schatz du dabei findest, bleibt ganz allein dir überlassen.

Karmesin Purpur Akademie

(Image credit: Nintendo / The Pokémon Company / GAME FREAK)

Kämpferische Mitschüler

Apropos Mitschüler. Schon sehr früh lernst du deine Klassenkameradin Nemila kennen, die nicht genug von Pokémon-Kämpfen kriegen kann. Und tatsächlich ist sie seit langem endlich eine Rivalin, die anständig geschrieben wurde und keine totale Nervensäge verkörpert. Als eine Schülerin mit dem Champ-Rang ist sie einem haushoch überlegen, weswegen sie Direktor Clavel darum bittet, sich ebenfalls eines der Starter-Pokémon aussuchen zu dürfen, um mit dir einen Neuanfang zu wagen. Leider wählte GAME FREAK erneut den falschen Weg, bei der Partner-Wahl des Rivalen. Nemila sucht sich nämlich immer das Pokémon mit dem Typennachteil aus, wodurch der erste Kampf gegen die neue Kontrahentin alles andere als herausfordernd ist.

Ich finde es leider sehr schade, dass sich GAME FREAK seit Pokémon X & Y dazu entschieden hat, dem Rivalen das Starter-Pokémon zu geben, das einen Typennachteil gegen das eigene hat. Klar, es ist einsteigerfreundlicher und soll vermutlich einen fairen Einstieg in die Typeneffektivität ermöglichen. Umgekehrt würde Zweiteres allerdings auch funktionieren und dem Spieler signalisieren, dass schleunigst ein Pokémon gefangen werden muss, um den Starter des Rivalen zu kontern. Ich erinnere mich gerne an die Zeiten von Pokémon Rubin und Saphir zurück, wo ich mir an Maikes Reptain die Zähne ausgebissen habe, weil ich keine Attacke hatte, um es effektiv zu treffen. Aber genug von der rosaroten Brille.

Die Kämpfe selbst sind wie immer typische Pokémon-Kost, machen Spaß und haben fetzige Musik, bei der man gerne mal anfängt mit dem Kopf zu wippen. Allerdings gibt es eine Änderung, welche die Gefechte zu einem ungewöhnlichen Erlebnis macht. Wenn man ein wildes Pokémon angreift oder einen Trainer anspricht, entsteht ein Kampf direkt an Ort und Stelle. Es gibt also keinen Map-Wechsel, wodurch so ziemlich jedes Kampfareal – um es einfach zu sagen – nach nichts aussieht. Zwar kann man in diesen Gefechten die Kamera frei bewegen und so platzieren, wie man möchte, aber leider hilft das relativ wenig, wenn das eigene Pokémon zu Hälfte im Wasser steht oder man sich direkt neben einer riesigen Mauer befindet. Auch Clipping-Fehler durch eine Kombination aus einer erhöhten Position und der falsch platzierten Kamera waren enttäuschenderweise keine Seltenheit. Nur die wichtigen Story-Kämpfe haben eine feste Kameraposition, und diese glänzen wirklich im Vergleich zu allen anderen Gefechten. Das ist sehr schade.

Pokemon Karmesin Nemila

(Image credit: Nintendo / The Pokémon Company / GAME FREAK)

Der Endgegner: 30FPS!

Lass mich das Patinaraja im PokéMarkt ansprechen: Pokémon Karmesin und Purpur sind alles andere als ein technisches Powerhouse, sowohl was die Leistung als auch die visuelle Qualität angeht. Abstürze zwangen mich zum Neustart, Lags und Slowdowns sind im Grunde dauerhaft vorhanden, aus dem Nichts ploppen Pokémon oder andere Modelle auf, die Ladezeiten waren anstrengend, Texturen sahen aus der Nähe so undetailliert aus, dass ich förmlich die Pixel zählen konnte, Sprites erscheinen erst, wenn du praktisch auf ihnen stehst, das Spiel kürzt die Animationen bei allem, was fünf Meter weit entfernt steht, um die Hardware zu schonen und selbst die Pokébälle bleiben nach dem Fang eines fliegenden Pokémon einfach in der Luft hängen, weil man scheinbar zu faul war, den richtigen Code dafür zu schreiben.

Während des Tests hatte ich manchmal das Gefühl, dass in meiner Nintendo Switch in Wirklichkeit ein kleiner Hamster auf seinem Rennrad für die Performance des Spiels sorgt. Und jede Pause, die sich der arme Nager gönnt, sorgt für Einbrüche der Framerate. Das muss man sich übrigens mal auf der Zunge zergehen lassen. Entweder ist GAME FREAK ein wirklich unbegabter Haufen, oder dem Entwicklerstudio ist es wirklich egal, was aus ihrem Spiel geworden ist. Wenn dein eigenes Spiel nicht mal eine einigermaßen stabile FPS von 30 hat, stellt sich mir ernsthaft die Frage, ob Pokémon Karmesin und Purpur dieses Jahr schon hätten erscheinen sollen. Dass die Nintendo Switch mit Pokémon Karmesin und Purpur an ihr Limit gekommen ist, lasse ich übrigens nicht als Argument gelten. Ältere Titel wie The Legend Of Zelda: Breath Of The Wild zeigen, wozu die Hybridkonsole fähig ist.

Pokemon Karmesin und Purpur Open World

(Image credit: Nintendo / The Pokémon Company / GAME FREAK)

Zugegeben, manchmal waren die Pannen lustig: An einer Stelle fiel das Auge von Nemila zufällig zu und sie starrte mich die Hälfte des Gesprächs lang an wie Popeye. Oder mein Krokel versank in der Wand eines Hauses wie Homer Simpson im Gebüsch. Das ist zwar witzig, ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Aufmachung von Pokémon Karmesin und Purpur dem eigentlich anständigen Weltdesign nicht gerecht wird.

Trotzdem gibt es Dinge an Pokémon Karmesin und Purpur, die durchaus gelungen sind. Die Musik von Toby Fox ist eine Stärke, fast so gut wie der Soundtrack von Pokémon Schwert und Schild, die Handlung ist ein – sagen wir mal, gut gemeinter Versuch, über härtere Themen wie Mobbing zu sprechen. Die Benutzeroberfläche hat sich allgemein verbessert, die Open World ist – zumindest in der Theorie – eine gute Idee und die Terakristallisierung – die neue Mechanik, die es dir erlaubt, den Typ deines Pokémons zu ändern – fügt ein interessantes taktisches Element in den Mix ein, bei dem du die Schwächen deiner Pokémon gegen andere austauschen kannst. Das erfordert mehr Überlegung als ein einfaches Power-Up wie es beim Dynamaxing der Fall war. Es ist außerdem durchaus möglich, dass man sich selbst in den Fuß schießt, indem man sich in etwas verwandelt, gegen das dein Gegner immer noch resistent ist.

Eine Menge zieht das Erlebnis jedoch herunter. Im Grunde ist die Open World der Kern der Probleme und gleichzeitig des Potenzials, der Grund, warum ich in den ersten Stunden so begeistert war, und der Grund, warum ich das Spiel jetzt nur schwer empfehlen kann. Die Frage ist auch, ob eine Open World überhaupt nötig ist. Das beweist der Konkurrent Temtem. Pokémon Karmesin und Purpur hätten ein heller und kühner Einstieg sein sollen, der die Serie für künftige Erweiterungen vorbereitet. Aber der Versuch, die Serie zu modernisieren, hat nicht wirklich funktioniert – und die Kopfschmerzen durch die wirklich miserable Performance sind auch nicht gerade hilfreich.

Michael Winkel
Volontär

Ich bin Michael und ich beschäftige mich vor allem mit den Themen Gaming, Nintendo und Audio. Noch bevor es mich zu TechRadar Deutschland verschlagen hat, absolvierte ich an der Akademie für Neue Medien eine Kompaktausbildung zum Crossmedia-Journalisten. Dort lernte ich nicht nur das journalistische Handwerk, sondern auch wie man moderiert und gute Kurzfilme produziert. Nun bin ich bei TechRadar Deutschland als Volontär gelandet und tierisch froh, leidenschaftlich über Videospiele, Gaming und Tech zu schreiben. Erreichbar bin ich unter mwinkel[at]purpleclouds.de.