Goldeneye wird heute 25 Jahre alt: "Keiner von uns wusste, was wir da gemacht haben"

A still from the new Goldeneye documentary.
(Bildnachweis: GoldenEra)

Deine Mama hat dir ein paar Pfennig gegeben, du bist zum Kiosk gegangen, hast Gummibärchen gekauft - hunderte, um genau zu sein - und bist zum Haus deines besten Freundes am Ende der Straße gegangen. In deiner anderen Tasche ist dein N64-Controller. Das nächste, was du weißt, ist, dass ihr Schulter an Schulter und Ellbogen an Ellbogen in einer Anlage in der verschneiten russischen Wildnis gesichtslose Bösewichte erschießt. Stundenlang. 

Diejenigen von uns, die sich im Sommer 1997 in Goldeneye 007 verliebt haben, das selbstverständlich auf dem gleichnamigen James Bond-Film mit Pierce Brosnan in der Hauptrolle basiert, sind inzwischen erwachsen geworden. Wir sind 25 Jahre älter, unsere alten Jeans passen nicht mehr so gut wie früher und wir fühlen uns nachdenklich und nostalgisch. Ein typisches Beispiel: Der australische Filmemacher Drew Roller hat einen Film gedreht, der die ewige Anziehungskraft von Goldeneye einfängt - die aufschlussreiche Dokumentation GoldenEra.

"Ich wusste, dass es einen Platz für einen Film gab, der die Erinnerungen an diese Zeit und diese Erfahrungen einfängt. Eine einzigartige David-gegen-Goliath-Geschichte über einen Haufen unerfahrener Spieleentwickler, die mitten auf dem Land in einer Scheune arbeiteten und die Videospiellandschaft für immer veränderten", sagt er.

Die besagte Scheune befand sich in Twycross, Leicestershire, England, und gehörte Rare - einem Videospielentwickler, der von den visionären Brüdern Tim und Chris Stamper gegründet wurde. Rare hat im Jahr 2000 auch das brillante Perfect Dark entwickelt. Die Kreativitäts- und Innovationskultur des Unternehmens machte sie zu Vorreitern in der Spielewelt, und Goldeneye war ihr goldenes Ei. Das Spiel hat weltweit 250 Millionen Dollar eingespielt und mehr als sieben Millionen Exemplare wurden verkauft. Aber das war kein Glücksfall - es war das Ergebnis harter Arbeit und vor allem der Geduld, es richtig zu machen.

"Diese Jungs haben ihre Liebe in das Spiel gesteckt, und das sieht man. Es ist auch erstaunlich, dass ihnen die Freiheit gegeben wurde, Dinge auszuprobieren und zu scheitern, die Zeit und den Raum zu haben, um innovativ zu sein, zu iterieren und einen Weg zu finden. In der heutigen Zeit haben wir eine sehr ökonomische und unternehmerische Kultur um diese von Natur aus kreative und wunderbar ehrgeizige und abenteuerliche Kunstform. Diese unbegrenzte Kreativität und den fehlenden Druck der Unternehmen zu sehen, war eine Offenbarung", sagt Roller

Neue Hoffnung

A still from the new Goldeneye documentary.

(Image credit: GoldenEra)

Grant Kirkhope arbeitete als Komponist an Goldeneye 007 sowie an Donkey Kong, Banjo-Kazooie und dem kommenden Mario + Rabbids Sparks of Hope. "Keiner von uns hatte vorher ein Spiel gemacht, keiner von uns wusste, was wir taten", erinnert er sich. "Wir waren alle in den Scheunen des Manor Farmhouse eingepfercht und hatten eine kleine Kantine in der Mitte. Stampers Mutter war in der Küche. Ich glaube, so werden viele großartige Spiele gemacht - von Leuten, die nicht wissen, was sie tun."

Ich glaube, ich werde Goldeneye auf meinem Grabstein eingravieren lassen, so sehr hat es mein Leben beeinflusst.

Drew Roller, Director von GoldenEra

Kirkhope repräsentierte eine neue Art von Spieleentwickler. Der langhaarige Judas-Priest-Fan aus Schottland war zuvor etwa zehn Jahre lang arbeitslos gewesen, aber er verkörperte alles, was Rare erreichen wollte. Das Team wollte auf unkonventionelle Weise Magie schaffen, und es hat funktioniert. Goldeneye hinterließ bei allen, die es spielten, einen unvergesslichen Eindruck, so auch bei Roller, und seit der Erstveröffentlichung hat die Begeisterung und Unterstützung nicht nachgelassen. 

"Meine Leidenschaft für das Spiel ist gewachsen, es hat mein Leben grundlegend verändert", sagt er. "Ich liebe es jeden Tag mehr und mehr. Ich glaube, ich werde es auf meinem Grabstein eingravieren lassen, so einflussreich war es auf meinem Lebensweg." Was genau hat er im Sinn? "Ich denke, unten wird stehen: ‘Unlocked 2:05 [invisibility cheat] on Facility’."

Trotz der unglaublichen Arbeit des Rare-Teams gibt Kirkhope zu, dass der unaufhaltsame Erfolg des Spiels sie alle überrascht hat. "Keiner von uns hat mit dieser Reaktion gerechnet", sagt er. "Es hat sich nach einer Weile verselbstständigt, so erfolgreich wurde es. Wir konnten es einfach nicht glauben. Wenn du wüsstest, wie man es macht, würdest du es jedes Mal machen, oder?"

3D-Denken

A still from the new Goldeneye documentary.

(Image credit: GoldenEra)

Goldeneye lebt durch die Speedrunning-Community weiter, eine Gruppe von Spielern, die das Spiel immer wieder spielen und versuchen, ihre Leistung ständig zu verbessern. Und in Goldeneye: Source, einer Entwicklergemeinschaft, die die Half-Life-Engine nutzt, um das Multiplayer-Erlebnis des Spiels in HD-Grafik nachzubilden. Diese Spieler werden immer wieder von Goldeneyes Wiederspielbarkeit angezogen - die Tatsache, dass es nie langweilig wurde, so groß war die Welt, die erschaffen wurde, und die endlosen Geheimnisse, die darin lebten.

"Man konnte sich wirklich stundenlang in das Spiel vertiefen. Ich bin mir nicht sicher, ob es vorher viele Spiele gab, die dir diese Breite und Tiefe des Gameplays boten und in denen es so viel zu entdecken gab. Mit der Geburt des 3D-Spiels gab es viele Titel wie Goldeneye, Zelda und Mario 64, bei denen der Schwerpunkt auf der Erkundung lag und darauf, wie weit man gehen konnte, um diesen riesigen Freiraum zu schaffen", sagt Roller.

Damit wurde das neue Zeitalter der Konsolen-Shooter eingeläutet, die die Spieleindustrie seither dominieren und veränderten.

Drew Roller, Director von GoldenEra

Der Sprung auf den N64 war ein großer Schritt, denn die Spieler/innen betraten buchstäblich eine neue Dimension. "Wir kamen von Super Mario Bros, 2D-Charakteren, flachen Welten und sehr lineralem A-zu-B-Design, und plötzlich bist du in einem Wald in einer Alpenregion und hast sieben verschiedene Ziele und eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Aufgaben zu lösen", sagt Roller. "Es läutete das neue Zeitalter der Konsolen-Shooter ein, die seitdem die Branche dominieren. Aus dieser Perspektive hat es die Spieleindustrie grundlegend verändert."

Zurück und immer noch gold

A still from the new Goldeneye documentary.

(Image credit: GoldenEra)

Die Spuren und das bleibende Erbe von Goldeneye sind auch heute noch spürbar und in die moderne Spielewelt eingewoben. Die DNA von Goldeneye ist in Spielen wie Far Cry 6, Half-Life und Call of Duty: Modern Warfare 2 zu spüren; in der modernen Betonung von Stealth und dem Töten, ohne gesehen oder gehört zu werden. Auch Multiplayer-Shooter sind zu einer dominierenden Kraft im Spiel geworden - allerdings nicht in der greifbaren, an die Couch gebundenen Form, die Rare populär machte.

"Das hat für ein unglaubliches soziales Erlebnis gesorgt, das bei Online-Spielen fehlt. Wir sind online mehr denn je miteinander verbunden, aber wenn du mit deinen Freunden auf der Couch sitzt, in der realen Welt, gibt es nichts, was mit dieser Erfahrung vergleichbar ist, und diese Erinnerungen sind tiefgreifend", sagt Roller.

Die Nostalgie, die Goldeneye umgibt, ist größtenteils auf ein großartiges Spiel zurückzuführen, das vor allem durch seinen Unterhaltungswert besticht. Aber für eine bestimmte Generation wird es auch mit einer einfacheren Zeit in unserem Leben assoziiert, in der nur wenig anderes zählte, als ein Geheimagent zu sein, der mit einem goldenen Gewehr in einem Bunker herumläuft. Du kannst nie wieder nach Hause gehen - und diese Tatsache spiegelt sich in Rollers Ambivalenz gegenüber der Idee eines HD-Remasters wider, über das schon lange gemunkelt wird.

"Es ist bis heute noch nicht offiziell erschienen, aber damit habe ich kein Problem", sagt er. "Tief in meinem Herzen weiß ich, dass man Goldeneye nie wieder so erleben kann wie beim ersten Mal. Es war eine schöne Zeit und ein schöner Ort."

Michael Winkel
Volontär

Ich bin Michael und ich beschäftige mich vor allem mit den Themen Gaming, Nintendo und Audio. Noch bevor es mich zu TechRadar Deutschland verschlagen hat, absolvierte ich an der Akademie für Neue Medien eine Kompaktausbildung zum Crossmedia-Journalisten. Dort lernte ich nicht nur das journalistische Handwerk, sondern auch wie man moderiert und gute Kurzfilme produziert. Nun bin ich bei TechRadar Deutschland als Volontär gelandet und tierisch froh, leidenschaftlich über Videospiele, Gaming und Tech zu schreiben.

Erreichbar bin ich unter mwinkel[at]purpleclouds.de.

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