Pen&Paper ist ein Phänomen, das zwar spätestens mit der ersten Staffel von Stranger Things (Öffnet sich in einem neuen Tab) etwas mehr in den Fokus der breiten Masse gerückt sein dürfte, meiner Meinung nach aber immer noch nicht genug Beachtung erhält. Und das, obwohl die Community stetig weiter wächst und immer mehr Menschen begeistert. Ich selbst spiele seit Jahren Dungeons & Dragons (Öffnet sich in einem neuen Tab), den wohl bekanntesten Vertreter des Genres, und bin aktuell sogar selbst an der Entwicklung eines P&P-Regelwerks beteiligt.
Aus diesem Grund war meine Aufregung gewaltig, als der erste Trailer zu Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben erschien und verdammt gut aussah. Die bedienten Fantasy-Klischees störten mich wenig, da ich seit Herr der Ringe – eine meiner absoluten Lieblingsfilmreihen – das ganze Genre liebe und nie genug davon bekommen kann. Ein wenig skeptisch war ich aber trotzdem.
Ob es diese Geschichte letztlich doch geschafft hat, mein nach mehr Fantasy dürstendes Herz zu erquicken, davon möchte ich dir nun berichten. Also lass mich meine Laute zücken, setze dich hernieder und lausche aufmerksam meinen Worten.
Blut ist dicker als Wasser
Von der Handlung möchte ich gar nicht allzu viel vorwegnehmen, da sie bereits recht zu Beginn mit einer kleinen Wendung aufwartet – auch wenn diese nicht gerade überraschend kommt. Kurz gesagt geht es um den Barden Edgin, der seine Familie wiederherstellen möchte. Seit einem missglückten Raubüberfall sitzt er jedoch mit seiner besten Freundin Holga im Gefängnis. Also wollen die beiden erst einmal ausbrechen, um Tochter Kira aus der Obhut eines alten Freundes zu holen und Edgins verstorbene Frau mit einem magischen Relikt wiederzuerwecken.
Das sind lediglich die ersten von insgesamt 134 Minuten und ich freue mich wirklich sagen zu können, dass ich jede einzelne davon genossen habe. Selbst jetzt, nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, fallen mir immer noch sehr wenige Dinge ein, die ich an Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben bemängeln würde.
Obwohl die Story sich an einigen üblichen Genre-Tropes bedient, mochte ich, dass das hier eben kein Epos ist, bei dem mal wieder die ganze Welt auf dem Spiel steht. Stattdessen ist das Ganze im Kern eine Familiengeschichte, die nur am Rande immer wieder in etwas Größeres eingebettet wird. Dadurch bietet der Film zwar hier und da epische Bilder, konzentriert sich die meiste Zeit jedoch auf seine Figuren und seine Welt.
Perfekt unperfekt
In der Abenteurergruppe gibt es etwa die von Michelle Rodríguez gespielte Barbarin Holga, die sich schnell zu einer meiner Lieblingsfiguren entwickelt hat. Dafür sorgte nicht nur ihr übermäßiger Badass-Faktor, durch den sie ganze Gegnergruppen im Alleingang vermöbelt, sondern auch ihr schlichteres Gemüt. Versteh mich nicht falsch, sie ist keinesfalls dumm. Sie besitzt lediglich eine sehr geradlinige Weise, Dinge anzugehen und sorgt damit immer wieder für richtig gute Gags.
Neben Muskeln und Humor hat sie zudem noch eine gehörige Menge Emotionalität zu bieten. Zum einen ist sie Kiras Ersatzmutter, was zu einigen rührenden Szenen führt, zum anderen sorgt ihre Hintergrundgeschichte aber auch für einen herrlich absurden Cameo-Auftritt, bei dem einige Leute – inklusive mir – im Kino laut gelacht haben.
Den Humor fand ich generell die gesamte Zeit über gelungen. Bereits in der hervorragenden Komödie Game Night haben die Regisseure John Francis Daley und Jonathan Goldstein ihr Gespür für Timing sowie für visuelle und verbale Gags bewiesen.
Einen davon, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, bringt der Zauberer Simon. So erklärt er etwa, dass man nicht einfach jedes Problem mit Magie lösen kann, wie sich das viele D&D-Spieler vielleicht wünschen würden. Justice Smith spielt den liebenswerten Narren mit dem richtigen Maß an Augenzwinkern und sorgt, gerade im Zusammenspiel mit der einfach gestrickten Holga, für unzählige Lacher. Und das, obwohl vor allem sein mangelndes Selbstbewusstsein und der Druck, seinen Vorfahren gerecht zu werden, seine stetigen Begleiter sind.
Trotzdem wird nicht einfach auf ihm herumgehackt und selbst seine unerwiderte Zuneigung zur Druidin Doric macht ihn nie zur Witzfigur. Doric, verkörpert von Sophia Lillis, bleibt von allen aus der Gruppe vergleichsweise noch am blassesten. Von der Lockerheit ihrer Rolle in It ist zwar nicht mehr allzu viel vorhanden, was sie aber durch ihre coolen Fähigkeiten als Gestaltwandlerin mehr als wettmacht. Die Betonung liegt hier aber wirklich auf „vergleichsweise“, denn selbst sie hat ihre tragische Hintergrundgeschichte und kämpft für das Wohl ihrer Ersatzfamilie – womit wir wieder beim Hauptthema des Films wären.
Am wenigsten gefallen hat mir jedoch ironischerweise Protagonist Edgin. Das lag allerdings weniger am Drehbuch, als vielmehr an Chris Pine selbst, der es meiner Meinung nach leider nicht geschafft hat, das Charisma eines wortgewandten Barden richtig zu transportieren. Das Drehbuch gibt ihm tatsächlich sogar die meiste Screentime und viele gute Dialoge. Und auch mit seiner Tochter Kira gibt es einige sehr berührende Szenen, Pine fehlt es aber irgendwie am gewissen Etwas. Da hätte ich persönlich lieber Josh Hartnett oder Henry Cavill gesehen, auch wenn letzteres aufgrund seiner Statur wohl etwas unpassend für einen kampfunerprobten Barden wäre.
Besonders viel Barde ist er übrigens nicht. Bis auf ein paar kurz dahingetrellerte Lieder und ein – zugegeben, extrem witziges – Ablenkungsmanöver, bleibt seine Laute kaum mehr als ein hübsches Accessoire. Da wäre etwas mehr drin gewesen, da die Wahl der Klasse in Dungeons & Dragons eine signifikante Entscheidung ist.
Um einiges mehr hing ich dagegen an den Lippen von Hugh Grant, der seine Rolle hier wieder meisterhaft nuanciert verkörpert. Darüber möchte ich nicht mehr verraten, aber wie er seinen Charakter Forge spielt, passt einfach wie die Faust aufs Auge und hat mich an seine Performance in dem sonst eher mauen Operation Fortune (Öffnet sich in einem neuen Tab) erinnert.
So vielschichtig er aber auch ist, so eindimensional bleibt dagegen die böse Zauberin. Viel mehr lässt sich über sie tatsächlich nicht sagen, durch ihre unheimliche Präsenz fand ich sie aber zumindest nie langweilig. Außerdem ist sie und das was hinter ihr steckt für einige schön düstere Momente verantwortlich, von denen ich gerne mehr gesehen hätte. Hier kommt dem Film etwas seine FSK 12 in die Quere, allerdings ist das eine sehr persönliche Präferenz.
Viel Liebe zum Detail
Die Kämpfe hätten meiner Meinung nach zwar auch von etwas Blut profitiert, sind aber nichtsdestotrotz packend und wuchtig inszeniert. Es gibt einige etwas längere Einstellungen, bei denen der Schnitt die Choreografien unterstützt, statt sie zu verschleiern – gerade beim Paladin, von dem ich bisher noch nichts erzählt habe – und vor allem Michelle Rodríguez gibt wie gesagt herrlich deftig aufs Maul.
Allgemein hat der Film extrem viele erinnerungswürdige Szenen und mindestens genauso viele wunderschöne Schauplätze. Eine Fantasygeschichte lebt natürlich von ihren Orten und Kreaturen. So geht es etwa durch schneebedeckte Landschaften, heimelige Dörfer, die große Stadt Niewinter oder einen buchstäblichen Dungeon, und alles davon sieht toll aus. Mir ist lediglich ein einziger sehr offensichtlicher Greenscreen gegen Ende aufgefallen. Mehrere Szenen wurden dagegen in Island gedreht und das sieht man einfach. Doch selbst die Studioaufnahmen wirken nicht wie kleine abgesteckte Sets, weil hier viel Liebe zum Detail eingeflossen ist.
Du merkst schon, ich könnte noch eine Weile davon schwärmen wie gut Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben aussieht. Bei den unzähligen Fabelwesen, die ebenfalls eine gute Mischung aus practical effects und Animation sind, könnte ich gerade so weitermachen. Aber ich denke, du verstehst den Punkt.
Gut gedacht, sehr gut gemacht
Ich bin wirklich glücklich darüber, dass der Film so gut geworden ist. So wird er hoffentlich jede Menge Leute ins Kino locken und die Studiochefs davon überzeugen, mehr Fantasy-Stoffe dieser Art zu verfilmen. Es braucht nicht immer das ausgeklügeltste Drehbuch oder eine bahnbrechende Idee. Manchmal genügt einfach eine Gruppe unperfekter, sympathischer Figuren, die gemeinsam ein witziges, spannendes und berührendes Abenteuer erleben. Wenn dann noch das Schauspiel sowie die Effekte, Kostüme und Action-Sequenzen auf einem Niveau wie diesem hier sind, dann kann ich nur sagen: Bitte mehr davon!
Und glücklicherweise soll es auch mehr davon geben. Denn noch vor regulärem Kinostart hat sich Paramount Pictures schon die Rechte für eine Dungeons & Dragons-Serie (Öffnet sich in einem neuen Tab) geschnappt. Und auch die Animationsserie The Legend of Vox Machina (Öffnet sich in einem neuen Tab), deren zweite Staffel seit Januar auf Prime Video (Öffnet sich in einem neuen Tab) ist, ist bei mir ganz weit oben auf der Liste meiner Lieblingsserien. Wenn du Fantasy also ebenso sehr liebst wie ich oder einfach nur Lust auf einen tollen Abenteuerfilm hast, dann wirst du mit Dungeons & Dragons: Ehre unter Dieben deine helle Freude haben.