Wohnzimmerkonzerte live streamen: So geht’s

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(Bildnachweis: fizkes)

Du liebst es, Musik live zu genießen oder selbst zu machen? Dann lebst du seit geraumer Zeit – wie Millionen andere – in der größten Dürreperiode seit Erfindung des Musikinstruments. Denn wo sämtliche Bühnen geschlossen und Menschenansammlungen untersagt sind, lässt es sich weder adäquat proben und erst recht nicht vor Publikum auftreten. Was für private Hobbymusiker und deren Fans nur unangenehm ist, könnte sich für die professionelle Musik noch zu einer Katastrophe auswachsen – dort spricht man schon jetzt von einer möglichen „Generation Corona“, wodurch der Branche riesige Lücken entstehen könnten.

Allerdings haben alle Kreativen und deren Fans wenigstens ein kleines bisschen Glück im Unglück. Denn das Internet ist da, es ist etabliert und leistungsfähig. Die wichtigsten Grundzutaten, um live auf Sendung zu gehen. Jenseits davon benötigst du nur noch technisches Equipment und digitale Lösungen und kannst loslegen. Wie, das zeigen wir dir jetzt.

Disclaimer: Natürlich muss die Zusammenkunft einer Band auch für ein Streaming-Konzert im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Bitte begebt euch nicht nach dem Motto „fünf Bandmitglieder aus fünf Haushalten“ zusammen in einen Raum, sondern haltet euch an das, was aktuell für euch gilt.

1. Die richtigen Instrumente

Wenn jeder in einem Raum sitzt, funktionieren viele Soundkonzepte nicht – ganz besonders dann nicht, wenn dieser Raum eine Wohnung oder Kellerraum ist und nicht ein klangoptimierter Proberaum oder eine Bühne.

Und insbesondere, wenn du und deine Bandmitglieder zur Miete lebt, also andere stören könnten, sollten die Instrumente eher leise Töne anschlagen. Nicht zuletzt aufgrund der einfacheren Digitalisierbarkeit betrifft das vor allem das Schlagzeug. Hier könnte ein elektronisches Drumset die leichter dosierbarere Wahl sein. Viele analoge Drummer müssen zwar dafür etwas umdenken, aber es macht das Abmischen deutlich einfacher und außerdem wird kein Anwohner gestört.

Allerdings sind auch Gitarristen nicht hiervon ausgenommen. Hier gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Wenn du E-Gitarre spielst, wird alles über ein Mischsystem geleitet, sodass man neben dir nur den dünnen Klang der Gitarre hört. Dazu benötigst du aber dann sehr gute Kopfhörer, um dich und die Band ordentlich zu hören. Normalerweise „sollte“ man zwar den Ton per Mikro am Verstärker abgreifen, das ist jedoch zuhause kaum möglich, ohne andere zu stören.
  2. Wenn du Akustikgitarre spielst, solltest du leiser spielen und dafür gegebenenfalls auf eine auch bei dieser Intensität „saftig“ klingende Gitarre setzen. Das muss nicht zwingend teuer sein. Es gibt auch sehr günstige Stücke, die sich dennoch im professionellen Einsatz bewährten. Außerdem kann die Nutzung einer Akustik-Gitarre das heimelige Flair einer solchen „Kammermusik“ um den Touch eines Unplugged-Konzerts ergänzen.

Problematisch sind natürlich all jene Instrumente zwischen Trompete und Dudelsack, die sich schlicht nicht unterhalb einer bestimmten Lautstärke spielen lassen. Hier benötigst du Kreativität – indem du beispielsweise die Nachbarn vorwarnst oder das Konzert gleich an einen Ort verlegst, an dem keiner gestört werden kann.

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Für gestandene Analog-Drummer ist ein E-Drumset zwar eine Umstellung, für Wohnzimmerkonzerte hat es jedoch nur Vorteile. (Image credit: fizkes)

2. Die Mikrofone

Du wirst für das Konzert mindestens eine Kamera benötigen, dazu später mehr. Jedoch sieht es bei diesem Gerät in Sachen Ton folgendermaßen aus: Was in den meisten Kameras als Mikrofon integriert ist, ist generell eine eher suboptimale Lösung; ganz besonders für Musik. Außerdem wird die Tonmischung umso komplizierter, je mehr Bandmitglieder ihren Sound in Richtung eines Mikrofons aussenden.

Das heißt, jeder gespielte und gesungene Ton sollte von einem eigenen musikoptimierten Mikrofon aufgenommen werden. Hier ist für jedes Instrument ein Instrumentalmikrofon nötig; bei am Körper getragenen Instrumenten sollte das daran befestigt sein, ansonsten genügen Stative.

3. Die Mischung

Mehrere Musiker an einem höchstwahrscheinlich nicht klangoptimierten Ort – etwa im namensgebenden Wohnzimmer - würde das einfach über die Mikrofone bzw. Instrumente abgegriffen (sofern überhaupt möglich) und direkt gestreamt, erhalten deine Zuhörer schlimmstenfalls einen entsetzlichen Klangbrei. Das Schlagzeug zu laut, die Gitarre zu schrill, dafür der Sänger unverständlich.

Um dem entgegenzusteuern, muss der Sound abgemischt werden. Hierfür hast du zwei mögliche Vorgehensweisen zur Auswahl:

  1. Alle Mikrofone/Instrumente werden in klassischer Weise mit einem Mischpult verbunden und darin klangtechnisch abgemischt. Das ausgehende Signal wird in ein USB-Audio-Interface eingespeist und von dort an einen Rechner weitergeleitet.
  2. Jeder Musiker hat ein eigenes USB-Audio-Interface, in das nur sein Instrument/Mikrofon einspeist. Deren Signale werden an einen PC weitergeleitet, auf dem sich eine Mischpult-Software befindet. Die muss nichts kosten, dafür kann auch das weitverbreitete, quelloffene Tool Audacity herangezogen werden.

Doch egal, wofür du dich entscheidest, es sollte einen Helfer geben, der mit Mischpult/Mischsoftware und ebenfalls guten Kopfhörern räumlich entfernt sitzt, damit er nur das hört, was tatsächlich hinter der Abmischung erklingt. Das hat auch den Vorteil, dass es im Konzert immer jemanden gibt, der justierend eingreifen kann.

Übrigens möchten wir dich auch auf die absolute Low-Budget-Alternative hinweisen: Günstige USB-Mikrofone für alle, womit das USB-Interface wegfällt, da die Mikros direkt den Computer ansteuern.

Wichtig: Wähle bei Wohnzimmerkonzerten bloß keine Hall-Effekte. Insbesondere, weil jeder Zuhörer den Raum sehen kann, wirkt das sonst sehr unnatürlich.

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Die Mischung muss nicht hochprofessionell sein. Wichtig ist vor allem, dass kein Instrument über Gebühr zu hören ist – deshalb ist Abmischen aber auch Pflicht. (Image credit: fizkes)

4. Die Kamera

Konzerte sind deshalb so gut, weil die Zuschauer die Musiker nicht nur hören, sondern auch sehen können. Da macht auch das Wohnzimmerkonzert keinen Unterschied. Doch auch wenn du im Verlauf der Pandemie vielleicht schon diverse, sehr aufwendig produzierte Internetkonzerte von Profimusikern gesehen hast, die sich auf mehrere Kameras und Blickwinkel stützen, so kann es bei deinem Konzert deutlich zurückhaltender zugehen.

Das heißt, du brauchst eine Kamera. Diese muss nur wenige Bedingungen erfüllen:

  1. Sie sollte zumindest in Full-HD aufzeichen – je mehr, desto besser.
  2. Sie sollte sich idealerweise für das Live-Bild via Kabel mit dem Computer verbinden lassen. Damit fällt eine wichtige Quelle für Übertragungsfehler weg, allerdings kann auch eine WLAN-Übertragung funktionieren.
  3. Der Kamerasensor sollte in der Lage sein, auch ohne aufwendige „Bühnen“beleuchtung ein klares, helles Bild zu produzieren.
  4. Der Kamerawinkel sollte groß genug sein, damit alle Musiker zusammen aufs Bild passen – an dieser Stelle sei abermals an die maximalen Obergrenzen für Zusammenkünfte mehrerer Menschen erinnert.
  5. Die Kamera sollte auf einem festen Stativ sitzen. Keinesfalls auf irgendwelchen provisorischen Konstruktionen, die dazu neigen, im ungünstigsten Moment zu versagen.

Prinzipiell genügt dafür ein zeitgenössisches Smartphone. Das muss nur für diesen speziellen fall als Quasi-Webcam mit dem Computer verbunden werden. Sowohl iPhones wie Android-Geräte benötigen dafür Apps wie „EpocCam Webcam“ oder „Droid Cam“.

Ähnlich sieht es auch bei anderen Kameras aus. Für viele digitale Spiegelreflex- sowie spiegellose Kameras gibt es ähnliche Programme für den Computer, unter anderem bei Canon sogar vom Hersteller selbst. Gleichermaßen verläuft es auch bei GoPros. Diese können ab dem Modell „Hero 4 Black“ mit der herstellereigenen Desktop-App als Webcam genutzt werden.

Hier sei dir empfohlen, zumindest die verschiedenen Smartphones deiner Bandmitglieder auszuprobieren – und achte beim Anschluss unbedingt darauf, dass die Tonspur der Kamera stummgeschaltet wird. Sonst gesellt sich zum perfekt abgemischten Klang das, was das Kamera-Mikrofon aufnimmt.

5. Die Generalprobe

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Praktisch alle modernen Digitalkameras können mit entsprechender Software zur Webcam gemacht werden. Hast du mehrere, nimm die, welche die beste Bildqualität liefert. (Image credit: fizkes)

Wenn du noch nie auf diese Weise musiziert hast, wäre es töricht, blind loszulegen. Das heißt, übe mit deiner Band mehrfach das Line-Up, zeichnet alles auf, schaut es euch auf verschiedenen Endgeräten an – bedenkt immer, dass viele eurer Fans nur auf schwachbrüstige Handy-Lautsprecher und Ähnliches zurückgreifen können. Geht also beim Abmischen nicht davon aus, dass jeder High-End-Lautsprecher zuhause hat.

6. Raus in die Welt

Der Sound steht, Bild und Ton können live übertragen werden. Was fehlt jetzt noch? Richtig, eine Plattform. Prinzipiell könntest du auch über spezielle Streaming-Portale gehen, für die einfachere Zugänglichkeit empfehlen wir jedoch Facebook – auch, weil dessen Streams nicht nur maximal vier Stunden dauern dürfen, sondern Facebook als eines der wenigen sozialen Netzwerke erlaubt, die Audio- und Videoquellen separat auszuwählen; andere social Networks gestatten nur den Standard: Bild und Ton vom Handy.

Du willst es noch professioneller oder vielleicht über YouTube agieren? Dann brauchst du ein weiteres quelloffenes Stück Software, diesmal OBS die „Open Broadcaster Software“.  Die fungiert als letzte Schnittstelle hinter Kamera und Mischpult und sorgt dafür, dass es keine Ruckler gibt und nichts zeitversetzt ausgestrahlt wird.

Wichtig: Kündige das Konzert mit genügend Vorlaufzeit (mindestens eine Woche, nachdem ihr mit den Systemen firm seid) an und verhalte dich auch beim Wohnzimmerkonzert professionell – das heißt, starte pünktlich.