Das ist unsere Meinung zu Matrix Resurrections
Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch
Vor mehr als 22 Jahren erschien der erste Teil der ursprünglichen Trilogie – Matrix. Ein Streifen, der zum Kassenschlager avancierte und Filmgeschichte schrieb. Wenn man mich nach meiner persönlichen Top 10 der besten Filme des 20. Jahrhunderts fragen würde, stünde außer Zweifel, dass Matrix von 1999 darin vorkommt. Die intelligente Gesellschaftskritik, die wunderbare Philosophie, gepaart mit atemberaubend schönen Kung-Fu-Choreografien und visionären Actionsequenzen sind bezeichnend für den ersten Teil der Reihe. Die (damals noch) Wachowski-Brüder ließen alles in den ersten Matrix einfließen, was sie zu dieser Zeit inspirierte und dazu gehörte mit Sicherheit auch der großartige Anime Ghost in the Shell.
Mein Onkel war damals so begeistert von dem Film, dass er ihn mir auf VHS-Kassette kaufte und ihn mir mit folgenden Worten überreichte: "Hier mein Junge, sieh dir das an. Das ist Action, aber mit Köpfchen". Treffender hätte man es vermutlich nicht formulieren können. Zwar verstand ich den Film als Zehnjähriger noch nicht in seinem gesamten Ausmaß, aber dennoch hatte er es mir angetan. Dutzende Male sah ich ihn mir wieder und wieder an. Matrix hinterließ auch in Hollywood seine Spuren. Abgesehen von diversen Parodien (die man durchaus als Hommage verstehen kann) prägte Matrix (und vermutlich auch Blade von 1998) mit seiner Cyberpunk-Ästhetik auch großartige Filme wie Equilibrium oder ein ganzes Franchise wie Underworld.
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Bei Matrix Reloaded und Matrix Revolutions war ich bereits ein so großer Fan, dass ich mich heimlich in den Kinosaal schmuggelte, weil ich noch nicht 16 war, um sie endlich auf der großen Leinwand zu erleben. Vermutlich ist das auch der Grund, warum ich die Sequels nie als so schlecht empfand, wie allen anderen – na ja, zumindest nicht Matrix Reloaded. Mit Matrix Revolutions kam die Trilogie dann, zumindest meiner Meinung nach, leider zu einem sehr unbefriedigenden Ende. Damit war das Franchise jedoch endgültig abgeschossen... dachte ich.
Umso mehr überraschte es mich zu erfahren, dass es mit Matrix Resurrections tatsächlich weitergehen soll und dafür auch Lana Wachowski wieder auf dem Regiestuhl sitzen sollte und das Drehbuch mitverfasste. Ich freute mich auch sehr darüber, Keanu Reeves und Carrie-Ann Moss in ihren Rollen als Neo und Trinity wiederzusehen. Auf die Erklärung, weshalb die beiden noch leben, war ich dennoch sehr gespannt. Wirklich überzeugen konnte mich Matrix 4 jedoch leider nicht. Die Gründe dafür möchte ich euch in diesem Artikel darlegen.
Um euch möglichst wenig vorwegzunehmen, versuche ich weitestgehend nichts von der Handlung von Matrix Resurrections zu verraten. Ganz ohne geht es jedoch leider nicht, daher seid gewarnt: Es folgen möglicherweise kleine Spoiler!
Alte und neue Gesichter
Über die fehlende Mitwirkung von Lilly Wachowski wunderte ich mich nicht, nachdem sie sich schon bei der zweiten Sense8-Staffel zurückgezogen hatte. Als Gründe dafür gab sie an, dass Vorstände und Marketer den kreativen Schaffensprozess zu sehr beeinflussten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Dadurch hatte sich für sie ein persönlicher Druck aufgebaut, dem sie entfliehen wollte.
Eine Hälfte der Wachowski-Schwestern will nichts mit diesem Film zu tun haben? Das ist schon einmal kein gutes Omen. Aber immerhin schrieb Lana Wachowski gemeinsam mit David Mitchell (Cloud Atlas) und Aleksandar Hemon das Drehbuch zu Matrix Resurrections und führte außerdem Regie.
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Nachdem bekannt wurde, dass Lawrence Fishburne nicht in Matrix 4 mitspielen wird, war ich dankbar dafür, dass zumindest Keanu Reeves (Neo), Carrie-Ann Moss (Trinity) und Jada Pinkett Smith (Captain Niobe) zurückgekehrt sind. Zu meinem Bedauern gab es jedoch auch kein Wiedersehen mit Hugo Weaving (Agent Smith).
Erstmals mit dabei ist Jessica Henwick (Bugs) – mit einer wirklich überzeugenden Darstellung eines neuen Captains. Yahya Abdul-Mateen II (Aquaman) verkörpert fortan Morpheus, dessen Figur leider nicht einmal mehr ansatzweise die Tragweite hat, wie in der Original-Trilogie. Daher hab ich mich bereits im Kino relativ schnell gefragt: Warum kehrt dieser Charakter, dessen Aufgabe es war, den Einen zu finden, überhaupt wieder? Außerdem stoßen Jonathan Groff (Mindhunter), Neil Patrick Harris (How I Met Your Mother) und Christina Ricci (Sleepy Hollow) mit zum Cast.
Ist das noch Fanservice oder schon ein Plagiat?
Verrückterweise existiert die Handlung von Matrix 1 bis 3 in Matrix Resurrections – in Form eines Videospiels! Das klingt zwar zunächst interessant, ist jedoch nach längerer Überlegung total hanebüchen und dämlich. Es gibt praktisch nicht eine einzige logische und kohärente Erklärung dafür, warum wir so viele bekannte Charaktere wiedersehen. Die Gründe für Neos und Trinitys Überleben, Morpheus anderes Aussehen und die Rückkehr eines wohlbekannten Bösewichts sind dermaßen stumpf und blöd, dass man einfach nur mit dem Kopf schütteln will.
Ständig wiederholen Charaktere (vor allem Morpheus) ganze Sätze aus Matrix von 1999 und als ob das nicht schon genug wäre, bekommt man dazu auch immer noch die entsprechende visuelle Rückblende. Sie haben gedacht, das käme nur im Trailer vor? Dann wurden Sie hier aufs Glatteis geführt. Ja, Matrix 4 zeigt dir im Film tatsächlich einen Haufen Sequenzen aus der Original-Trilogie. Das wirft dich nicht nur stellenweise aus der Handlung, sondern ist auch extrem unnötig und überflüssig, wenn man bedenkt, dass sich vermutlich die Minderheit den vierten Teil eines Franchises ansehen wird, ohne die drei vorherigen gesehen zu haben.
Was mich auch wirklich enttäuscht hat, ist Jada Pinkett Smiths Charakter. Die einst so rebellische, emanzipierte und selbstbewusste Niobe hat kein Verständnis mehr für eben dieses Verhalten und hat angeblich nie an den Auserwählten geglaubt? Da stellt sich mir die Frage: Haben die Schöpfer sich Matrix Revolutions überhaupt selbst angesehen?
Außerdem gibt es im Film tatsächlich ein Meeting, bei dem ein Charakter sagt, dass "Warner Bros. Matrix entweder mit oder ohne uns macht" und dass man dann doch lieber dabei sein würde. Ist das möglicherweise die größte Enthüllung in Matrix Resurrections? Wundern würde es mich nicht, wenn man bedenkt, dass sich anscheinend nur eine Wachowski-Schwester dazu durchringen konnte, bei diesem Film mitzuwirken.
Auch das Spiel mit der roten und blauen Pille treibt man in Matrix Resurrections wirklich auf die Spitze, bis selbst Neo die Rote nicht mehr sehen kann.
Das ist keine Kampfkunst, das ist eine Schlägerei
Die Actionszenen wirken ganz anders, als man es von der Original-Trilogie gewohnt ist und das hat offensichtlich zwei Gründe.
Yuen Woo-Ping, der chinesische Martial-Arts-Choreograf, der für die atemberaubenden Kung-Fu-Szenen in den ersten drei Matrix-Teilen verantwortlich ist, war leider nicht erneut an Bord, um die Kampfchoreografien in Matrix Resurrections zu koordinieen und das merkt man leider wirklich deutlich, denn die Kämpfe in Matrix 4 wirken plump, langsam und stocksteif.
Die Kampfszenen haben nichts mehr mit "Kampfkunst" und einer guten Choreografie zu tun, sondern sind nur noch wuchtig und träge. Dadurch kommt bei den Fights in Matrix 4 eher wie ein John Wick-Feeling auf, dem Keanu Reeves Bart und Frisur die Krone aufsetzen. Hier zeigt sich auch, was für den Hauptdarsteller augenscheinlich Priorität hatte, denn John Wick 4 wurde zeitgleich gedreht.
Das Revival des ikonischen Dojo-Sparringskampfes zwischen Neo und Morpheus hat nicht annähernd die Ästhetik, wie im ersten Teil. Neo wendet ab diesem Zeitpunkt fortwährend auch nur noch einen neuen Kamehame Ha-Move an, der als Lösung für alles dient, was sich ihm oder Trinity in den Weg stellt. Das ist weder sonderlich spannend, noch sinnvoll.
Tolle Spezialeffekte, aber ein langweiliger Soundtrack
Der zweite Grund für die entschleunigten Actionsequenzen ist das Fehlen von Bill Pope, dem Director of Cinematography der ursprünglichen Trilogie. Seiner visionären Arbeit verdanken wir die bildgewaltigen und herausragenden Actionszenen der ersten drei Teile. Während der Dreharbeiten von Matrix Resurrections war er jedoch nicht zugegen, sondern stattdessen am Set von Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings.
Dennoch hat Matrix Resurrections auch einiges zu bieten. Die Spezialeffekte sind – abgesehen von Neos Spiegelbild – tatsächlich äußerst gelungen und es gibt ein paar wirklich schöne Shots. Zwar vermisste ich den Grünstich der Matrix aus den vorherigen Teilen, dachte mir dann jedoch, dass es sich hierbei bereits um die siebte Version der Matrix handelte und damit vermutlich einige Updates einhergingen. Dennoch störten mich die gesättigten Bilder in der Matrix. All das, was aber in der "echten Welt" stattfand, sah unglaublich gut aus und ließ mein Fan-Herz höherschlagen.
Bis auf eine wirklich tolle Sequenz mit Keanu Reeves und Neil Patrick Harris gab es jedoch, abgesehen von Dutzenden von Slomos, nichts was so wegweisend war, wie die Bullet Time des ersten Matrix.
Sehr vermisst habe ich die ikonischen Sounds der ersten Teile und die zur Action passenden Songs. "Clubbed to Death" von Rob Dougan, das spielt, während Morpheus mit Neo das Agententrainingsprogramm durchläuft, oder "Spybreak!" von den Propellerheads bei der legendären Schießerei in der Lobby in Matrix 1, oder "Mona Lisa Overdrive" von Juno Reactor bei der Highway-Sequenz in Matrix Reloaded sind nur einige Beispiele für das großartige Zusammenspiel von Ton und Bild in der Original-Trilogie. Bei Matrix Resurrections blieb mir nur "White Rabbit" von Jefferson Airplane im Gedächtnis, das durchaus passend wäre, sich jedoch irgendwie im Film aufgezwängt anfühlte.
Fazit
Hätte es Matrix Resurrections gebraucht? Ein klares und entschiedenes Nein.
Meiner Meinung nach gibt es Filme, die so gut sind und die Messlatte so hoch ansetzen, dass deren Sequels nichts anderes, als in ihrem Schatten stehen können. So hätte es meiner Auffassung nach auch nicht unbedingt Matrix Reloaded und Matrix Revolutions geben müssen. Alles in Matrix 4 wirkt extrem konstruiert und die meisten Enthüllungen des Films sind banal, oder ziemlich offensichtlich.
Obwohl man Matrix Resurrections als Film mit dem vermutlichen größten Fanservice des Jahres bezeichnen kann, drängt sich einem der Verdacht auf, dass die Schöpfer des Films gar keine Ahnung davon haben, was die Fans eigentlich wirklich an Matrix lieben. Dazu gehören die intelligente Gesellschaftskritik, die wunderschöne Philosophie des ersten Teils und die tollen Kampfchoreografien. Diese sind glanzlos verschwunden und wurden durch unpassenden Gen-Z-Humor ersetzt, der in dieser Form in einem Matrix-Film einfach völlig fehl am Platz ist.
Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch – Matrix 4 fühlt sich größtenteils nicht richtig und fremd, aber stellenweise dann doch so gut und vertraut an. So als würdest du dir Pizza von vorgestern warm machen und es duftet herrlich. Du freust dich auf einen Bissen in den leckeren knusprig gebackenen Teig, beißt jedoch auf eine zähe und gummiartige Masse. Diesen Placeboeffekt hat Matrix 4 in mir ausgelöst und mich emotionslos zurückgelassen.
Stephan Sediq ist Business Development Manager bei techradar DE. Bitte wende dich mit allen Fragen zum Thema Native Advertising und Gastbeiträgen direkt an ihn.
Darüber hinaus ist Stephan für die Bereiche Cinema & Entertainment sowie Audio verantwortlich.
E-Mail: ssediq[at]purpleclouds.de