TechRadar Fazit
Kirby und das vergessene Land ist einer der besten 3D-Platformer der vergangenen Jahre – nicht nur für die Switch, sondern insgesamt. Stilistisch legt das erste richtige 3D-Kirby eine Punktlandung hin und bietet durch seine eigene Interpretation von Schwierigkeitsgraden viel Spaß für neue, aber auch deutlich erfahrenere Spieler. Hier und da hapert es an der Performance und die Spezialfähigkeiten könnten etwas vielseitiger sein, aber im Großen und Ganzen handelt es sich um ein großartiges Spiel, das nicht zuletzt auch beweist, was sich aus der fünf Jahre alten Switch immer noch rausholen lässt und selbst ohne 4K einfach schön aussieht.
Pro
- +
Großartiges 3D-Platforming
- +
Viel Liebe zum Detail
- +
Einfach knuffig
Kontra
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„Vollstopf-Modus“ ist ausbaufähig
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Stellenweise Frame-Einbrüche
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Überschaubare Fähigkeiten
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„Mit Kirby und das vergessene Land“ für die Nintendo Switch hat es der pinke Klops endlich in den dreidimensionalen Raum geschafft. Klar gab es mit Kirby 64 und vielen Spielen danach Kirby mit 3D-Grafik, die Bewegung dort erfolgte jedoch weiterhin nur nach links, rechts, oben und unten.
Aus dem klassischen 2D-Platformer ist nun also ein waschechter 3D-Platformer geworden, der nicht nur hübsch anzusehen ist, sondern der sich auch fantastisch spielt. Warum genau das so ist, worum es in dem Spiel geht und warum sich Game Freak für Pokémon gefälligst eine Scheibe abschneiden sollte, will ich in diesem Testbericht erklären.
Kirby und das vergessene Land – Story und Setting
Von der eigentlichen Rahmenhandlung, abgesehen von einigen wenigen Elementen gegen Ende des Spiels, bei dem ich meine Augenbrauen deutlich überrascht heben musste, darf man bei Kirby und das vergessene Land nicht allzu viel erwarten. Kirby und viele andere Bewohner des Planeten Pop werden direkt in der Eröffnungssequenz nichts ahnend durch ein Portal in eine fremde Welt gesogen. Wie so oft gilt es, herauszufinden, was passiert ist, welches Große Böse dahintersteckt und wie man es besiegt. Weiter ins Detail zu gehen, würde bereits jetzt die ein oder andere lustige, interessante oder bizarre Wendung vorwegnehmen. An Kirbys Seite gesellt sich das Wesen Elfilin, das genauso gut aus einem Pokémon-Spiel entrissen worden sein könnte.
Die Schau stiehlt in Kirby und das vergessene Land das namensgebende vergessene Land, das in mancher Hinsicht auch als zweiter Hauptcharakter gesehen werden kann, wobei ich die literaturwissenschaftliche Abhandlung dazu nicht weiter ausführen will. Auf den ersten Blick wirken die einzelnen Abschnitte der Spielwelt weitestgehend gewöhnlich – Dschungel, Strand, Eis, Wüste, Lava. Allein der Vergnügungspark steht von Anfang an aus der Masse hervor.
Auf den zweiten Blick stellt sich jedoch heraus, dass es sich beim vergessenen Land um einen postapokalyptischen Planeten handelt und sämtliche Biome Städte, Industrie- und Vergnügungsanlagen sind, die über die Jahre der jeweiligen Witterung zum Opfer gefallen sind. Menschen existieren keine mehr und die Ruinen werden mittlerweile von Tieren bewohnt, die aus zunächst ungeklärten Gründen Waddle Dees fangen und einsperren, die zusammen mit Kirby und anderen Bewohnern des Planeten Pop in der vergessenen Welt gelandet sind.
Der Dschungel etwa war einst ein normales städtisches Gebiet mit Wohnhäusern, Einkaufspassagen und allem anderen, was man so zum Leben braucht. Der Strand hingegen war mal ein Industriegebiet am Hafen – und das geht so weiter. Allein der Vergnügungspark ist in dieser Hinsicht und im Vergleich mit den anderen Gebieten weniger spektakulär, weil er genau das ist, was er ist – ein verlassener Vergnügungspark.
Während man durch die vergessene Welt reist, erfährt man tröpfchenweise Hintergrundinformationen – etwa, dass es gegen Ende nur noch einige wenige Megacorporations gegeben hat. Diese kleinen Informationshäppchen erhält man in den Texten der Figuren aus den kleinen Kapseln, die in der Welt verstreut und in den Gatcha-Apparaten erhältlich sind. So setzt sich im Verlauf des Spiels ein halbwegs klares Bild von dieser anderen Welt zusammen und man kommt unweigerlich ins Grübeln, was hier schiefgelaufen sein kann.
Gameplay
Am Gameplay hat sich in Kirby und das vergessene Land gegenüber den klassischen 2D-Kirbys kaum etwas verändert, wenn man davon absieht, dass es jetzt dreidimensional ist. Kirby kann wie immer rennen, springen, schweben, Gegner und Gegenstände aufsaugen, wieder ausspucken und von manchen die Fähigkeiten übernehmen.
Neu hinzu kommen die Möglichkeit, Angriffe zu blocken oder ihnen auszuweichen. Auch bei den Fähigkeiten wurde etwas experimentiert. Diese können jetzt mit Blaupausen zu stärkeren Varianten weiterentwickelt werden. Hinzu kommt der neue Vollstopf-Modus, bei dem sich Kirby wie eine Socke über viel zu große Gegenstände stülpt und dadurch temporär neue Fähigkeiten erhält. Dazu gehört unter anderem ein Auto, eine Glühbirne, ein Getränkeautomat, der Dosen wie Projektile verschießt, und eine Handvoll mehr.
Auch wenn viele der Vollstopf-Fähigkeiten, wie etwa das Auto und der Gleitschirm, kreativ sind und Spaß machen, haben sie eines gemeinsam: Sie sind immer nur für einen kurzen Abschnitt innerhalb eines Levels verfügbar, sind nur für exakt eine Sache gut und müssen danach wieder abgelegt werden. Etwas mehr Tiefe gibt es in den einzelnen optionalen Herausforderungen auf der Oberwelt, aber im Großen und Ganzen wirkt der Vollstopf-Modus wie ein nettes, aber nicht zu Ende gedachtes Gimmick. Immerhin gehen einige humorvolle Slapstick-Momente auf die Kappe einiger dieser Verwandlungen.
Die 12 normalen Fähigkeiten sind alle mindestens völlig in Ordnung, so wirklich aus den Socken haut mich allerdings keine davon. Auch die Upgrades sind nett, tragen jedoch nichts Bahnbrechendes zum Gameplay bei, sondern lediglich eine Auswahl an Möglichkeiten, Gegner zu besiegen. Besonders gegen Ende des Spiels werfen manche Upgrades für manche Fähigkeiten das Balancing komplett über den Haufen, sodass es, vielleicht abgesehen von Langeweile oder Masochismus, keinen Grund gibt, eine der anderen, voll entwickelten, aber um ein Vielfaches schlechtere Fähigkeit zu verwenden.
Das grundlegende Gameplay hingegen ist absolut stimmig. Kirby und das vergessene Land spielt sich eher wie Super Mario 3D World und weniger wie Super Mario Odyssey – in vielerlei Hinsicht sogar besser als Super Mario 3D World. Ich musste 3D World zum Vergleich noch einmal auspacken, um sicherzugehen, was genau Kirby besser macht. Und siehe da: es ist die Tiefenwahrnehmung. Was auch immer HAL bei Kirby gemacht hat, es funktioniert deutlich besser als bei 3D World, denn bei Letzterem bin ich ständig von Plattformen gefallen und habe Gegner verfehlt, weil ich die Tiefe nicht richtig einschätzen konnte. Bei Kirby – kein Problem. Möglicherweise liegt es daran, dass sich die Kamera bei Kirby deutlich näher an der Spielfigur befindet.
Interessant wird es beim Schwierigkeitsgrad: Von Haus aus hat Kirby zwei Schwierigkeitsstufen – den „Frische-Brise-Modus“ und den „Wilden Modus“. Diese lebhaften Bezeichnungen stehen im Grunde für einen sehr einfachen und einen einfachen Modus, denn besonders schwer ist keiner davon.
Selbst im „Wilden Modus“ bin ich das erste Mal weit in der zweiten Spielhälfte gestorben, und das auch nur, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt weder blocken noch ausweichen musste und deshalb komplett vergessen hatte.
Die Schwierigkeitsstufe steigt zwar besonders bei den letzten beiden Bossen deutlich an, sollte aber selbst für unerfahrene Spielerinnen und Spieler kein allzu großes Problem darstellen. Für die Erfahrenen unter uns liegt der Reiz von Kirby hingegen eher in den optionalen Herausforderungen für einzelne Fähigkeiten, die es teilweise ganz schön in sich haben, aber auch in den zusätzlichen Waddle Dees, die es in den einzelnen Levels zu befreien gilt. Zu guter Letzt wird der Schwierigkeitsgrad auch im Post-Game-Content noch einmal angehoben.
Neben den ganzen Hauptinhalten gibt es in Waddle-Dee-Stadt auch etliche Minispiele wie Angeln, Aushilfe in einem Café und Turniere im Kolosseum – gewissermaßen ein Boss-Rush-Modus.
Grafik und Stil
Kirby und das vergessene Land macht mich wütend. Wütend, dass ein Spiel auf der Nintendo Switch sich so gut spielt und so gut aussehen kann. Wütend, dass Game Freak Jahr für Jahr völlig ambitionslos ein hässliches Pokémon-Spiel nach dem anderen auf den Markt bringt, während HAL Labs mit Kirby beweist, wie gut ein Spiel auf einer fünf Jahre alten, hybriden, nicht allzu leistungsfähigen Konsole aussehen kann, wenn man sich einfach nur mal etwas Zeit lässt und so viele Ecken und Kanten ausbügelt, wie möglich. Wütend, dass Fans und Journalisten – selbst die eigenen Kollegen! – gleichermaßen seit Jahren im Einklang skandieren: „Wir brauchen eine Switch Pro! Mit einer Switch Pro wird alles besser!“
Grafik und Stil gehen Hand in Hand. Nicht jedes Spiel braucht Raytracing, nicht jedes Spiel braucht fotorealistische Charaktermodelle, nicht jedes Spiel braucht eine High-End-Grafikkarte. Indie-Spiele beweisen seit Jahren, dass selbst in den 2020er-Jahren Pixelgrafik immer noch völlig akzeptabel ist, wenn sie ins Konzept passt, und mit neuen Techniken auch einfach großartig aussehen kann.
Mit Kirby verhält es sich ähnlich: HAL hat den typischen Comic-Look von Kirby mehr als zufriedenstellend in die dritte Dimension übertragen, ein bisschen aufgepeppt und aufgehübscht. Das Ergebnis ist einfach traumhaft anzuschauen und das ohne Raytracing und 4K.
Die Welt trieft nur so vor Charme und Atmosphäre. Jede noch so kleine Ecke steckt voller Details – seien es die Texturen von Wänden und Böden oder einfach irgendwelcher Krempel, der in der Gegend rumliegt, als hätte überall jemand alles stehen und liegen gelassen und wäre spurlos verschwunden. Überall liegt Dreck, Müll, Gestrüpp – alles, was man sich von einer postapokalyptischen Welt wünscht.
Einen großen Teil zur Atmosphäre trägt die Kamera bei, die, ähnlich wie bei Super Mario 3D World, auf einer Schiene fährt, im Gegensatz zu Mario aber praktisch keinen Spielraum zur Anpassung lässt. Der größte Nachteil davon ist, dass man sich nicht beliebig in der Welt umschauen kann. Der große Vorteil hingegen ist, dass HAL genau diktieren kann, wie eine Szene aussehen muss – ähnlich, wie ein Regisseur mit einem Film. Und Junge, Junge, sind die Kamerafahrten großartig.
Auch wenn sich Kirby tendenziell immer im dreidimensionalen Raum bewegt, unterscheiden sich viele Sequenzen dahin gehend voneinander, in welche Richtung sich Kirby bewegt. Zu Beginn des Spiels, etwa, geht es für den pinken Klops immer von der Kamera weg in die (perspektivische) Tiefe und damit in die vergessene Welt hinein. In anderen Levels bewegt er sich wiederum eher in der Horizontalen wie in einem klassischen Platformer. Wiederum andere Level sind eher vertikal aufgebaut.
Die Kamera passt sich dabei den Gegebenheiten dynamisch an. Mal ist sie auf Kirby fixiert, mal ändert sich der Kamerawinkel so, dass der Hintergrund im Fokus liegt. Besonders cineastisch wird es in den vielen Intro-Szenen, quasi den Eingangsbereichen einzelner Levels. Dort bleibt die Kamera häufig statisch und setzt die gesamte Umgebung meisterhaft in Szene.
Meine größte Kritik an der festen Kamera ist, dass es keine Möglichkeit gibt, ins Bild hineinzuzoomen und die ganzen Details aus der Nähe zu betrachten.
Kaum Überraschungen gibt es beim generellen Charakterdesign, abgesehen davon, dass jetzt dreidimensionale Modelle verwendet werden und keine Sprites. Wie bei den 2D-Kirbys sieht man hier dieselben bekannten Gegner: Ritter mit Schwert, Ritter mit Bumerang, Schneemann, Pilz und viele andere. Neu hinzugekommen sind Tiere, die die ehemals von Menschen bewohnte Welt übernommen haben, aber besonders viel Variation gibt es hier nicht. Kleine Hunde, große Hunde, Stiere – am interessantesten und einfallsreichsten sind noch die Schildkröten, die alte Gebäude als Panzer benutzen.
Bei den Bossen sind die Schwankungen, zumindest, was den Look angeht, deutlich stärker. Diese reichen von gelangweiltem Schulterzucken über harte Klischeekeulen und neuen Varianten bekannter Bosse bis hin zu „wow, das ist für ein knuffiges Spiel ganz schön heftig.“
Zu guter Letzt muss ich noch das User-Interface loben. Das ist nicht nur sauber, übersichtlich und intuitiv gestaltet, sondern auch wunderschön und flüssig animiert. Es sieht alles einfach stimmig aus. Und auch die Ladebildschirme sind eine Erwähnung wert. Die sind nämlich in einem ganz eigenen Stil animiert, der dezent an die Animationen des YouTube-Channels Kurzgesagt erinnert. Auch hier: einfach klasse.
Performance
Kirby und das vergessene Land läuft sowohl gedockt in 1080p als auch im Handheld-Modus in 720p weitestgehend stabil mit 30 fps. Zu deutlichen Frame-Einbrüchen kommt es hauptsächlich in zwei Szenarien: Einerseits, wenn viel auf dem Bildschirm los ist, also viele Effekte und Modelle und Effekte auf dem Bildschirm zu sehen sind. Das wird besonders bei Bosskämpfen und im späteren Spielverlauf deutlich. Andererseits bricht die Bildrate bei Kirby in derselben kuriosen Situation ein, wie bei Hyrule Warriors: wenn Bäume, die sich nah an der Kamera befinden, transparent werden, damit sie nicht die Sicht auf Kirby versperren.
Ersteres ist einfach erklärt und ein recht häufiges Phänomen: Je mehr Dinge auf dem Bildschirm zu sehen sind, desto mehr muss die Hardware arbeiten. Da die Switch bekanntlich nicht die leistungsfähigste Konsole auf dem Markt ist, kommt sie in anspruchsvollen Szenen dann einfach nicht hinterher. Bei Bossen werden die Einbrüche teilweise dadurch kaschiert, dass bei starken oder besonderen Angriffen ein Zeitlupeneffekt eingesetzt und das gesamte Spiel verlangsamt wird, wodurch die Frame-Ruckler nicht so sehr auffallen.
Letzteres ist etwas weniger offensichtlich und hängt davon ab, mit welcher Technik der Transparenzeffekt gelöst wird. Hier gibt es nämlich mehr und weniger anspruchsvolle Techniken und HAL hat sich für eine der anspruchsvolleren entschieden. Die Ruckler lassen sich zum Testen wunderbar reproduzieren, da sie einfach immer auftreten, wenn ein Objekt vor der Kamera transparent wird. Im normalen Spielverlauf kommt das jedoch nicht so häufig vor und fällt im Großen und Ganzen auch entsprechend wenig ins Gewicht.
Wer etwas genauer hinsieht, wird außerdem eine Eigenheit von vielen japanischen Spielen bemerken und die auch in Pokémon Schwert, Schild und Legenden: Arceus zu sehen ist. Je weiter bewegliche Objekte von der Kamera entfernt sind, desto geringer ist ihre Animationsrate. Gegner im Vordergrund sind etwa flüssig mit 30 Bildern pro Sekunde animiert, weiter im Hintergrund sinkt sie deutlich und Bewegungen sehen abgehakt aus.
Richtig eingesetzt dürfte das Ressourcen schonen, da der Fokus beim Spielen tendenziell eher auf dem Vordergrund liegt, wo sich der Hauptcharakter im Normalfall befindet, und die geringe Animationsrate nicht so sehr auffällt. Schlecht umgesetzt sieht es dann aus wie im Trailer zu Pokémon Scharlachrot und Violett, wenn die Windräder im Bild sind und die Unterschiede in den Animationsraten der einzelnen Rotoren deutlich zu sehen sind.
Fast schon erschreckend kurz fallen die Ladezeiten aus: Die meisten Übergänge dauern rund 5 Sekunden und dadurch, dass die Ladebildschirme voll animiert sind, statt einfach nur einen Ladebalken zu zeigen, wirken die paar Sekunden sogar noch kürzer.
Fazit
Kirby und das vergessene Land ist einer der besten 3D-Plattformer der vergangenen Jahre – nicht nur für die Switch, sondern insgesamt. Stilistisch legt das erste richtige 3D-Kirby eine Punktlandung hin und bietet durch seine eigene Interpretation von Schwierigkeitsgraden viel Spaß für neue, aber auch deutlich erfahrenere Spieler.
Hier und da hapert es an der Performance und die Spezialfähigkeiten könnten etwas vielseitiger sein, aber im Großen und Ganzen handelt es sich um ein großartiges Spiel, das nicht zuletzt auch beweist, was sich aus der fünf Jahre alten Switch immer noch rausholen lässt und selbst ohne 4K einfach schön aussieht.
Eugen Wegmann ist Online-Redakteur für PurpleClouds Deutschland GmbH / TechRadar Region DACH und zuständig für Gaming und Computer-Hardware.
E-Mail: ewegmann[at]purpleclouds.de