Ms. Marvel - Ein Ersteindruck nach zwei Folgen

Kamala Khan würde zu gern in die Fußstapfen ihre liebsten Helden treten - leider scheinen diese in der Story wie Realität nur etwas zu groß...
(Bildnachweis: Marvel Studios)

Marvel und Disney gewähren uns kaum eine Atempause. Während kürzlich die erste Staffel von Moon Knight abgeschlossen wurde und wir mehr über die Abenteuer Dr. Stranges im Multiversum sehen durften, ist die Bühne nun frei für die junge Kamala und ihren Aufstieg zu Ms. Marvel. Im Folgenden erfährst du mehr über meinen Eindruck zu den ersten beiden Episoden der Serie, die bereits morgen, am 08. Juni, auf Disney+ an den Start geht. 

Es folgen massive Spoiler zu den ersten beiden Folgen von Ms. Marvel.

Die Serie beginnt mit einem quirligen Intro, mit viel Farbe, tollen Effekten und einen Blick auf unsere Protagonistin Kamala Khan. Diese durchlebt gerade ihre Teenager-Zeit und idolisiert ihr großes Avengers-Vorbild - Captain Marvel. 

Kamala ist dabei eher ein "Geek" und erfüllt das Klitsche in vollen Zügen. Ihr Freundeskreis ist klein, ihre Hobbys teilt sie nur mit wenigen Gleichgesinnten und sie lebt lieber in ihrer eigenen Blase als in der Realität. Denn warum auch mit den Problemen des Alltags ärgern, wenn doch der Traum vom Superhelden-Dasein so viel verlockender ist? 

Das Kriterium, durch welches sich Ms. Marvel von anderen Ablegern des Genres unterscheiden mag, ist primär sein noch weitestgehend unbehandeltes Setting. Kamala ist demnach Teil einer pakistanischen Familie in New Jersey, inklusive eigener Gepflogenheiten sowie Do's und Dont's, die durch Glauben und Kultur vorgegeben werden. 

Coming of Age-typisch gibt es häufige Auseinandersetzung mit der konventionellen Familie und insbesondere der Mutter Kamalas, während ihre Tochter zunehmend für ihre individuellen Vorlieben und Eigenheiten einstehen will.

Entlang der ersten Episode sorgt schließlich ein mystischer Armreif dafür, dass Kamala ihrem normalen Leben Ade sagen kann und fortan mit Superkräften gesegnet ist, deren Kontrolle erst einmal gelernt werden muss.

Die zweite Episode teilt sich daraufhin in erste Trainingstage auf sowie neue Probleme, die durch die erlangten Kräfte in das Leben der jungen Teenagerin und ihrer Freunde treten. Weiterhin erkennt Kamala gegen Ende, dass ihre Kräfte ihr nicht nur Möglichkeiten, sondern auch Verantwortung aufbürden. Schließlich erfahren entlang dessen auch wenige andere von ihren Kräften und scheint es so, dass nicht wenige Personen zunehmendes Interesse am Teenie entwickeln...

Natürlich wäre eine Superheldin aber nichts ohne den entsprechenden Antagonisten. Hier ist jedoch noch unklar, ob es sich um eine einzelne Fraktion oder mehrere Gruppierungen und Feinde handeln könnte. Während in der Schule eine potenzielle Rivalin in Form von Zoe eingeführt wurde, wird Ms. Marvel in ihrem Heldendasein hingegen mit Agenten und einer lang verschollenen Familienangehörigen konfrontiert...

Kamala Khan tests her new superpowers in Ms Marvel on Disney Plus

(Image credit: Marvel Studios)

Auf der Suche nach Innovation und einer eigenen Identität

Doch wie gestalten sich denn jetzt die ersten ca. 90 Minuten der Serie? Sagen wir so: Nicht nur die Protagonistin hat Schwierigkeiten mit ihrer Identität und dem Platz in der Welt...

Ms. Marvel ist an sich keine schlechte Serie und konnte mich zumindest auf visueller Stufe überzeugen. Leider offenbart der aktuellste Streich von Marvel und Disney jedoch eins so deutlich wie selten zuvor: Ideenlosigkeit. 

Dabei ist mir vollends bewusst, dass es eine Comic-Vorlage gibt an der man sich mehr oder minder genau hält - oder halten will. Jedoch wurde mir - insbesondere nachdem ich erst vor Kurzem Moon Knight gesehen habe - bewusst, dass ich dem altbekannten Schema rund um das Erlangen von Superkräften und den ersten Erfahrungen mit diesen entwachsen bin. 

Ich erwarte mir 2022 schlicht und ergreifend mehr Individualität und unerwartete, neue und interessante Ansatzpunkte rund um das Thema Superheldendasein. Aber nicht nur hier verlässt sich Ms. Marvel zu sehr auf das Altbekannte.

Allgemein kam mir in den ersten anderthalb Stunden ungewöhnlich oft das Gefühl auf, dass ich die meisten Elemente so oder ähnlich schon dutzende Male mitverfolgen konnte. Ja ich weiß, dass aktuelle politische Themen gern in Serien aufgearbeitet und thematisiert werden und das hat zuweilen auch seine Berechtigung. Aber ich möchte nicht in jeder Serie Randgruppen haben, die nur auf Basis dessen inkludiert wurde und dann noch eine unauthentische Darstellung entlang von Akzent und Ähnlichem erhält.

Ähnlich verhält es sich bezüglich des Emanzipations-Themas. Grundsätzlich ist auch dies wichtig und soll gern behandelt werden. Allerdings würde ich mir auch hier mehr Originalität wünschen - Eine Gleichberechtigung ist nicht damit getan, dass eine Frau den Männern in einem konkretten Szenario einmalig die Stirn bieten konnte.

Zuletzt konnte mich leider auch die zugrundeliegende Haupthandlung noch nicht abholen. So knüpft sich hier ebenso ein Klitsche an das nächste an und Momente der Überraschung lassen sich missen. 

Die beiden Freunde Bruno und Kamala sehen sich entlang der Entdeckung von Superkräften mit neuen Herausforderungen konfrontiert

(Image credit: Marvel Studios)

Beispiel gefällig? In Episode 1 erklärt Kamala Bruno einen Plan, um zu einer großen Superhelden-Messe zu gelangen. Der Plan mag visuell sehr anschaulich inszeniert sein. Jedoch ist er offensichtlich übertrieben und wirklich jedes Element des Misserfolgs ist hierbei vorhersehbar.

Gleiches gilt für eingeführte Charaktere und deren Beziehung zur Protagonistin. Wenig ist hier individuell und stattdessen wird sich auf althergebrachte Charakterrollen-Verteilungen, unspektakuläre und bereits absehbare "Plot-Twists" und Beziehungen zwischen den Figuren verlassen.

Bekannte Marvel-Stärken und -Schwächen

Das Marvel jedoch nicht nur Schwächen, sondern auch altbekannte Stärken offenbarte, ist zumindest ein kleiner Wehrmutstropfen.

Was das Studio schon immer konnte, ist die audio-visuelle Inszenierung von Schauplätzen und Szenen. Wenn überhaupt, dann hat mich dieser Aspekt beim Schauen der Episoden immer wieder daran erinnert, wieso ich Marvel-IPs einst so gern gesehen habe und dies teilweise noch immer tue. 

Immer wieder wird mit animierten Elementen gearbeitet, die die Gedanken Kamalas durch Zeichnungen unterstützen. Insbesondere diese Sequenzen zünden dann durch die Untermalung mit Pop-Hits wie Weekends "Blinding Lights" in der Opening-Szene der Pilot-Folge und besitzen großen Unterhaltungsfaktor. Leider driftet die Serie bisher zumeist in kurz darauf wieder in unspektakuläre 0815-Action-, -Drama- und -Comedy-Elemente ab...

Aber auch die Schauspieler konnten mich bisher größtenteils überzeugen - wenn wir mal die unnötige Akzentuierung außenvorlassen. Insbesondere die Darstellerin von Kamala zeigt glaubwürdige Gestiken und Mimiken, passend zu einer aufmüpfigen, aber keinesfalls gefühlskalten Teenagerin in ihrer Findungsphase für das weitere Leben. 

Fazit: Schema F funktioniert nur bedingt...

In der Theorie ist es ganz einfach: Dir gefällt der Trailer und du schreckst nicht vor einer unoriginellen, aber zuweilen unterhaltsamen Story zurück? Du bist Riesen-Fan des MCUs und willst jedmöglichen Titel und Infos in dich aufsaugen? Du hast ohnehin ein Disney+-Abo und auch Zeit für die Inhalte abseits der Crème de la Crème? Dann schau ab morgen einfach in Ms. Marvel hinein, mach dir einen persönlichen Eindruck und hab Spaß dabei.

Allen anderen Personen kann ich die Serie zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht empfehlen. Es handelt sich zwar nicht um einen schlechte Adaption, jedoch ebenso wenig um eine besonders gelungene und innovative Ergänzung des Marvel-Universums. Außerdem wird es zunehmend Zeit, dass Disney erkennt, dass ihre Formel für Marvel-Filme und -Serien und die stetige Notwendigkeit der Interdependenz dieser hinfällig ist und einer dringenden Überarbeitung bedarf. 

Ich befürchte jedoch, dass uns weiteres Marvel-Mittelmaß und einige Ausfälle vorerst nicht erspart bleiben. Phase 4 offenbart jedoch mehr als je zuvor wie wichtig Adaption an sich zunehmend wandelnde Publikumsinteressen ist und wie auch die größte Erfolgsformel irgendwann ihren Zenit überschritten hat...

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Christian Schmidt
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